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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs
Autoren: Mikael Niemi
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alles. Übrigens: Kanntet ihr das Opfer, die Stadt ist ja klein?«
    »Nun ja«, sagte Eino.
    »Martin Udde«, erklärte Sonny. »Ein alter Zöllner.«
    »Ich hatte ab und zu dienstlich mit ihm zu tun«, bestätigte Eino. »Aber es ist lange her, dass er in Pension gegangen ist.«
    »Das ist ja prima, Eino. Mach mir doch eine Aufstellung von allem, was du weißt. Familie, Angehörige, sein Bekanntenkreis und so weiter. Sonny kann mit den Hausbefragungen weitermachen. Und kümmert euch weiter um diejenigen, die verreist sind. Aber als Allererstes zeigt ihr mir bitte den Tatort.«
    »Der liegt in Texas.«
    »Texas?«
    »Das wird so genannt, das Viertel. Texas oder Der Wilde Westen.«
     
    Ihr Dienstfahrzeug war ein normaler Mietwagen, der im Sonnenschein auf dem asphaltierten Hof des Gerichtsgebäudes stand. Er war heiß wie ein Backofen und strömte den Dunst von heißem Plastik aus. Sobald sie startete, hörte sie, wie die Klimaanlage sich dröhnend einschaltete. Sonny fuhr vor ihr in einem blau-weißen Dienstwagen durch das kleine Zentrum der Stadt, vorbei am Lebensmittelmarkt und dann weiter nach Texas, das, wie sich herausstellte, ein idyllisches Viertel war, irgendwann in den Sechzigern gebaut. Holzhäuser mit großen Gartengrundstücken, hochgewachsene Hecken und Ebereschen, Rasenflächen mit sonnengebräunten Kindern, Plastiktreckern und aufblasbaren Planschbecken. Die Straße, in die sie einbogen, hieß Handwerkerstraße, wie sie auf einem Schild las, und kurz darauf hielten sie vor einem gelben, eingeschossigen Klinkergebäude. Das blau-weiße Plastikband der Polizei sperrte das gesamte Gelände ab. Eine Gruppe neugieriger Nachbarn hatte sich davor versammelt und verstummte, als Therese ausstieg. Ein Pressefotograf schoss eine Serie von Fotos, während sie über das Band kletterte und Sonny wieder zurück zum Revier fuhr. An der Treppe zur Eingangstür stand ein Polizeibeamter mit schwarzem Bart, ihm zeigte sie ihren Ausweis.
    »Lundin«, brummte er mit einer nonchalanten Verbeugung und winkte sie vorbei. »So ein Mist, dass so etwas ausgerechnet in der Urlaubszeit passieren muss.«
    »Ich weiß«, sagte sie.
    »Eigentlich sollten wir alle frei haben. Außer Eino. Alle anderen sollten jetzt in ihren Ferienhäusern sitzen.«
    »Ich in Barcelona«, sagte sie. »Hotel Grand Marina, Zimmer mit Whirlpool und Balkon mit Blick aufs Mittelmeer.«
    »Mhm«, brummte er nachdenklich.
    Sie zog sich neonlila Plastiküberzüge über die Schuhe, nahm ein Haarnetz in der gleichen schreienden Farbe und ein Paar dünne Chirurgenhandschuhe. Dann trat sie ein.
     

2
     
    Das Erste, was ihr begegnete, war der Geruch, süßsauer und irgendwie rostig. Ihr kam ein Gericht in den Sinn, aber welches? Schlecht zubereitete Frühlingsrollen. Unfreiwillig registrierte sie, wie es ihr kalt den Rücken hinunterlief, das Säugetier in ihr wollte fliehen. Es war nicht gut, hier zu sein, hier lauerten Reißzähne im Schatten. Aber sie zwang sich, weiter den Flur entlangzugehen. Entdeckte bald Tropfen auf dem Boden. Dunkle, geronnene Flecken. Sie waren alle von Kreidekreisen umgeben und nummeriert. Kratzspuren zeigten, wo Proben genommen worden waren. Wachsam beugte sie sich vor, berührte vorsichtig die Blutreste mit dem Handschuh und führte die Fingerspitze an die Nase.
    Ein kräftiger Blitz ließ sie zurückzucken. Unsicher kam sie hoch und wurde empfangen von einem riesenhaften Mundschutz und Spiegelgläsern einer Brille mit dicken schwarzen Plastikbügeln. Ihr erster Impuls war, sich loszureißen und wegzulaufen. Dann setzte ihr Atem wieder ein, während sie spürte, wie das Adrenalin durch ihr Herz strömte.
    »Ånderman!«
    Der Mundschutz wandte sich hastig ab und ging weiter ins Haus.
    »Ich dachte, du wärst noch krankgeschrieben«, rief sie ihm nach, bekam aber immer noch keine Antwort. Nur ein Winken, das sagte, sie solle ihm folgen. Statt der Chirurgenhandschuhe trug er schwefelgelbe, ellbogenlange Obduktionshandschuhe. Komm, winkte er mit fast weiblich weichen Handgelenken. Komm, komm … Sie folgte dem raschelnden pfefferminzgrünen Plastikkittel durchs Haus. Abscheuliche Farben, registrierte sie mit einem Schauder. Scheißkunstunterricht, das Schülerprojekt des Frühlings, verschönt den Alltag der Polizei. In einer Türöffnung blieb Ånderman stehen und hielt ihr auch einen Mundschutz hin. Sie trat vorsichtig zu ihm, vermied sorgsam, in Blutspuren zu treten, und legte sich den Mundschutz an. Er inspizierte sie gewissenhaft,
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