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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs
Autoren: Mikael Niemi
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Jahren ließ er sich zum Zollbeamten umschulen und verbrachte den Rest seines Berufslebens auf Grenzstationen in Karesuando, Pello und Kolari. Nach seiner Pensionierung 1980 kaufte er sich ein Haus in der Gemeinde Pajala, in dem er bis zu seinem Tod lebte. Martin Udde war nie verheiratet und hatte keine Kinder. Die mittlere Schwester verstarb bereits 1940, auch sie kinderlos. Seine Hinterlassenschaft fällt deshalb der einzigen noch lebenden Verwandten zu, der jüngsten Schwester Alice Herdepalm, momentan wohnhaft in Västeräs. Nach ihren Aussagen haben die Geschwister sich das letzte Mal vor mehr als zehn Jahren gesehen. Ihr Sohn Jan Evert Herdepalm scheint einen gewissen Kontakt zu Martin aufrechterhalten zu haben, aber der Sohn ist momentan verreist und nicht zu erreichen.«
    Eino unterbrach seine Lektüre und blätterte nervös in seinen Papieren. Es war ihm anzusehen, dass es ihm nicht gefiel, vor so vielen zu sprechen, seine großen Hände zitterten, und der Stapel mit Aufzeichnungen sah verschwitzt und durchwühlt aus.
    »Alice Herdepalm«, überlegte Therese. »Merkwürdiger Nachname.«
    »Sicher gekauft«, nahm Sonny an. »Es gibt viele Tornedaler, die ihren Familiennamen ins Schwedische übersetzen.«
    »Warum das?«
    »Man will keinen finnischen Nachnamen haben. Es ist einigen peinlich …«
    Sonny brach ab, als ihm sein Kollege einfiel. Eino Svedberg, früher Palovaara, saß steif da, hustete ein paar Mal im Versuch, wieder auf sich aufmerksam zu machen, und erklärte zusammenfassend, dass es schwer sei, mehr über Martin Udde in Erfahrung zu bringen. Keiner der Nachbarn hatte näheren Umgang mit ihm gepflegt. Sie beschrieben ihn als altmodisch, in gewisser Weise pedantisch. Er hatte beispielsweise genaue Vorstellungen davon, wie sie Schnee zu fegen hatten. Oder über die Erziehung der Kinder im Viertel. Einige hatten rundheraus gesagt, dass er ein wenig anstrengend gewesen sei.
    »Anstrengend«, notierte sich Therese. »Geh dem weiter nach, Sonny, such nach Kindern, über die er sich beschwert hat.«
    »Es muss doch noch andere geben, die ihn kannten«, warf Petren ein. »Alte Schulkameraden, Jugendromanzen, Militärkumpane.«
    »Die sind tot«, stellte Eino lakonisch fest.
    »Doch wohl nicht alle?«
    »Der Kerl sollte im Herbst neunzig werden. Es werden nicht viele so alt.«
    »Aber ein paar Zöllner müssten doch wohl noch am Leben sein?«
    »Wir werden dem nachgehen«, sagte Therese. »Petren, übernimm du das, spür alte Kollegen auf.«
    Eino hob höflich seinen Stift und schielte zu Therese.
    »Ja?«, fragte sie.
    »Ich kenne einen Zöllner, der mit Udde gearbeitet hat.«
    »Gut, dann gib Petren seinen Namen.«
    »Nun ja, das ist möglicherweise nicht so einfach … Er redet möglichst nur Finnisch.«
    »Stammt er aus Finnland?«
    »Nein, er ist Schwede, aber er redet am liebsten nur Finnisch. Soll ich ihn vielleicht besser selbst übernehmen?«
    »Ist er denn eingewandert?«
    »Nein«, fuhr Eino geduldig fort, »er ist Tornedaler, ist hier in Schweden geboren. Aber er redet fast nur Finnisch, das tun ja die meisten Älteren …«
    »Dann ist der Mann also Schwede, lebt hier in Schweden, aber weigert sich, etwas Anderes als Finnisch zu sprechen«, fasste sie mit wachsender Verärgerung zusammen. »Habe ich das richtig verstanden?«
    »Ja«, sagte er. »Ungefähr so. Es handelt sich um meinen Vater.«
    Eine beredte Stille breitete sich aus. Sonny räusperte sich und beugte sich ein wenig vor.
    »Vielleicht kann Petren ja stattdessen mit den alten Polizeibeamten von Pajala reden. Die haben doch oft mit den Zöllnern zusammengearbeitet. Åke Niemi drüben in Laentausta lebt doch wohl noch, oder?«
    »Ich hoffe, er kann Schwedisch«, bemerkte Petren nur trocken.
    »Dann machen wir es so«, sagte Therese und gab sich alle Mühe, freundlich zu wirken. »Dagewitz, du versuchst diesen Neffen Jan Evert Herdepalm ausfindig zu machen. Hast du nicht gesagt, er sei verreist, Eino?«
    »Stimmt.«
    »Dann ruf im Hotel an.«
    »Er wohnt nicht im Hotel.«
    »Aber sein Handy hat er ja wohl mitgenommen, hast du seine Nummer?«
    »Es gibt keinen Empfang dort.«
    »Wo zum Teufel befindet er sich denn?«
    »In Sambia. Am Kafue-Fluss, irgendwo im Regenwald am Lake Iteshi-Teshi.«
    »Scheiße. Also im schwärzesten Afrika«, grinste Dagewitz.
    Therese sah einen langen, geröteten Schweden in Tropenhelm vor sich, vor einer Gruppe bettelnder schwarzer Eingeborener hockend. Was tat er dort? Missionieren? Vom großen Erlöser
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