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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs
Autoren: Mikael Niemi
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den Bauch, aber auch in den Brustkorb und den Kopf. Nach einer gewissen Zeit ist der Tod eingetreten, im Detail muss das der Gerichtsmediziner klären. Zu guter Letzt beendet der Angreifer das Ganze, indem er einen Körperteil herausschneidet und ihn in die Küche bringt. Hier legt er ihn direkt auf die Herdplatte, die eingeschaltet und angelassen wird.«
    »Ein Körperteil?«, wunderte sich Petren.
    »Wir nehmen es an«, sagte Ånderman. »Es kann auch etwas anderes gewesen sein. Wir werden darauf zurückkommen, wenn wir die Reste analysiert haben. Es ist im Großen und Ganzen nur ein Kohlerest zurückgeblieben.«
    »Ein Lachsspeer«, murmelte Sonny, »das ist ja krank. Der Alte ist wie ein Lachs umgebracht worden.«
    »Wurde was gestohlen?«, fragte Dagewitz und spannte die Muskeln seiner würgeschlangendicken Oberarme an.
    »Keine offensichtliche Beschädigung«, sagte Ånderman. »Es scheint niemand in Schränken und Schubladen gewühlt zu haben. Weder elektronische Geräte noch anderes Wertvolles scheint gestohlen worden zu sein. Bis auf die Brieftasche. Die Brieftasche des Opfers haben wir nicht gefunden.«
    Alle saßen eine Weile schweigend da.
    »Vielleicht hatte er gar keine Brieftasche«, sagte Eino plötzlich.
    »Natürlich hatte er eine Brieftasche«, widersprach Sonny.
    »Nicht alle haben eine«, beharrte Eino. »Nicht alle Männer.«
    »Wir haben auch seinen Führerschein nicht gefunden«, wandte Ånderman ein. »Oder seine Bankkarte. Vieles deutet darauf hin, dass sie in der Brieftasche waren und dass der Täter sie mitgenommen hat.«
    »Und der Körperteil«, nahm Petren das Thema wieder auf. »Du hast uns nie gesagt, welcher Körperteil fehlt.«
    Alle warteten auf Ånderman. Seine verschwitzte Brille starrte auf den Bildschirm.
    »Mhm«, räusperte er sich schließlich. »Die Zunge. Man hat ihm die Zunge herausgeschnitten.«
     
    Die Abendluft war immer noch mild, gespickt mit Hochsommerdüften. Die neuen Joggingschuhe fühlten sich ein wenig steif an, vielleicht hatte sie sie auch nur zu fest geschnürt. Therese lief in ruhigem Aufwärmtempo durch Pajalas Zentrum hinunter zum Fluss und folgte dann dem Laestadiusvägen auf das Flussufer zu, in Richtung Pylon-Brücke. Bald erhöhte sie das Lauftempo, kam in Fahrt, ging deutlich über den Durchschnittspuls. Musste alles abschütteln. Neue Energie tanken. Die Füße schlugen gegen den Asphalt, sie klangen wie zwei Tennisbälle. Die Kirche mit ihrem himmelhohen Holzturm glitt schnell auf der rechten Seite vorbei, danach folgte ein längerer Abhang, pom pom, pom pom, und dann bog sie nach links auf die Brücke ab.
    Der Fluss. Das ist also der Torne älv, dachte sie. Er lag ruhig, fast weiß im Abendlicht da. Die Sonne stand immer noch hoch, obwohl es nach neun Uhr abends sein musste. Ein paar Felsen ragten am Strand empor, sie sah, wie das Wasser sie umspielte. Bewegung. Eine ständige Flucht, wie vor der Zeit. Eine breite Kühle, die ständig und stets durch die Landschaft strömte. Menschen alterten, Bäume wuchsen und verrotteten, Häuser wurden gebaut und abgerissen, immer und immer wieder im Laufe der Jahrhunderte. Aber die Zeit und der Fluss blieben sich gleich. Sich ringelndes Silber, entlang kräftigen Seidenfibern, die zu den stärksten Fäden gedreht werden konnten. Auf die man wie eine Perle aufgezogen war. Er rann ständig durch den Körper, durch den Bauchnabel. Und durch den Rücken wieder hinaus. Millionen kleiner rollender Sekunden.
    Auf dem Strand hinter ihr breitete sich die abendstille Kirchengemeinde aus. Vor ihr begann der Wald. Sie wollte in ihn hinein, möglichst schnell. Doch eine Weile lief sie noch auf dem schmalen Horizontstreifen zwischen den Brückenfundamenten über die Wassermassen, während sich die Mittsommersonne langsam im Norden senkte.
    Diese Landschaft hat etwas an sich, dachte sie. Sie dringt in dich ein. Sie lässt dich nicht in Ruhe.
     

4
     
    Martin Udde, geboren 1917 in der Stadt Kukkola gleich nördlich von Haparanda als ältester Sohn eines Kleinbauern. Die Mutter stammte aus Finnland und konnte noch zwei Töchter zur Welt bringen, bevor sie an einer Krankheit verstarb. Martin Udde ging in Haparanda auf die Realschule, anschließend absolvierte er seinen Militärdienst bei der I19 in Boden. Als Erster seiner Familie studierte er, und zwar am Lehrerseminar in Härnösand, und machte sein Examen zum Volksschullehrer. Einige Jahre lang arbeitete er an Schulen, in erster Linie im nördlichen Tornedal. Mit 29
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