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Der Mann, der sein Leben vergaß

Der Mann, der sein Leben vergaß

Titel: Der Mann, der sein Leben vergaß
Autoren: Heinz G. Konsalik
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… Wo bin ich denn?
    Venedig? Nein, das sind keine Italiener, die dort über die Straßen gehen.
    Kopenhagen? Schon eher möglich.
    Amsterdam? Das stand ja in dem fremden Paß! Aber Amsterdam? Wie kam er, ohne es zu wissen, nach Amsterdam?
    »Ich muß zum Konsulat!« sagte er laut und fühlte neuen Mut, als er seine eigene Stimme hörte. »Hier muß es doch ein Konsulat geben!«
    Höflich sprach er den ersten Mann, der ihm entgegenkam, an und fragte ihn.
    »Konsulat Portugal?« sagte er, darauf vertrauend, daß er verstanden würde.
    Der Mann nickte und erklärte ihm in der fremden Sprache genau den Weg. Da er aber sah, daß der Fremde ihn nicht verstand, rief er eine Taxe herbei, nannte die Adresse und deutete an, der Fremde möge einsteigen.
    Van Brouken bedankte sich höflich, stieg ein und hielt bald in einer Vorstadtstraße vor einer großen Villa, von deren Balkon die portugiesische Fahne wehte und das farbige Landeswappen glänzte.
    Tief aufatmend stieg er aus, verständigte den Fahrer durch Zeichen, daß er warten solle, und klingelte stürmisch an der mit Glasmalerei verzierten Tür.
    Es dauerte eine Weile, bis sich die Tür öffnete und ein Herr, anscheinend ein Sekretär, heraustrat.
    »Sie wünschen?« fragte er höflich und musterte erstaunt und kritisch den merkwürdigen späten Besucher.
    »Ich muß sofort den Herrn Konsul sprechen!« rief van Brouken und trat einen Schritt näher. »Es ist dringend, äußerst dringend.«
    Er wurde in eine Art Empfangsraum geleitet und gebeten, Platz zu nehmen. Erregt rannte er im Zimmer hin und her und trommelte an die Fensterscheiben, überflog hastig und ohne den Inhalt in sich aufzunehmen eine portugiesische Zeitung und rannte dann wieder von einer Ecke in die andere.
    Endlich öffnete sich die Tür zum Nebenraum, und der Konsul bat ihn, einzutreten.
    Don Manolda war ein großer, grauhaariger, schlanker Herr spanischer Abstammung, dem man die Würde des Edelmannes und die Kultur seines Hauses auf den ersten Blick ansah und dessen gepflegte Umgangsformen und halblaute, fast samtähnliche Stimme nie einer unbedachten Erregung fähig schien.
    »Was kann ich für Sie tun?« fragte er.
    »Mein Name ist Fernando Albez«, sagte van Brouken mit fliegendem Atem. »Doktor Fernando Albez, Lissabon, wohnhaft in der Rua do Monte do Castello 12. Ich bin entführt worden in dieses für mich völlig fremde Land und bitte dringendst um Ihre Hilfe!«
    Don Manolda starrte den Besucher an. Vielleicht zum erstenmal in seinem Leben war er aus der Fassung gebracht und wußte nicht sofort zu antworten.
    »Entführt?« sagte er nach einer Pause leise. »Aus Lissabon nach Amsterdam entführt?«
    »Aha! In Amsterdam befinde ich mich also!« Erregt warf van Brouken den Paß auf den Tisch und rannte wieder im Zimmer hin und her. »Da, diesen Paß fand ich in einer ekelhaft alten Brieftasche. Van Brouken, oder wie das ausgesprochen wird! Wer ist van Brouken?! Wie komme ich zu diesen Kleidern, zu diesem scheußlichen Hut? Ich trage Panamastroh und im Sommer einen weißen Rohseidenanzug – aber nicht solch grobes Zeug! Und kein Geld in der Tasche, nichts! Ich wache aus einem Schlaf auf – ich erinnere mich, daß ich mich vergangenen Sonntag auf einer Landpartie auf eine Wiese legte und einschlief – und wache hier in Amsterdam beraubt und entführt auf!«
    Der Konsul setzte sich erstarrt in seinen Sessel und blickte van Brouken entsetzt an.
    »Sonntag, sagten Sie? Heute ist Freitag! Sie haben 5 Tage geschlafen?«
    »Man muß mich betäubt und dann dauernd im Schlafzustand gehalten haben.« Er setzte sich auch und nahm sich aus dem offen dastehenden Kasten eine Zigarette. Mit zitternden Fingern steckte er sie an. »Ich sehe an Ihrem Blick, Herr Konsul, daß Sie mir nicht glauben und mich für einen Schwindler halten.«
    »Das liegt nahe, Señor«, antwortete Don Manolda ehrlich.
    »Ich bin Dr. Fernando Albez, Dr. phil. Schriftsteller, 35 Jahre alt«, rief van Brouken. »Bitte erkundigen Sie sich per Blitztelegramm in Lissabon, ob ich dort wohne und ob ich nicht vermißt werde! Es muß sofort über diesen skandalösen Fall ein Protokoll aufgenommen werden! Aber ich sehe Ihnen an, Sie glauben mir nicht!« Van Brouken sank in den Stuhl zurück und bedeckte die Augen mit den Händen. »Mein Gott, wie soll ich Sie überzeugen«, sagte er erschüttert. »Ich weiß nicht, wie ich nach Amsterdam komme. Ich bin Fernando Albez …«
    Eine Zeitlang war es still in dem Raum. Dieser ungeheuerliche Fall
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