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Der Mann, der nichts vergessen konnte

Titel: Der Mann, der nichts vergessen konnte
Autoren: Ralf Isau
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gepresst von unterdrücktem Zorn und hilfloser Verzweiflung.
    »Habe ich das behauptet?«, entgegnete Gomlek konziliant.
    »Was wissen Sie über Thomas Jefferson Beale?«
    »Wie? Ich verstehe nicht…«
    »Unserer Kenntnis nach haben Sie in der Registratur, in der Sie arbeiten, Informationen über diese Person gesammelt. Der Name ist auch mehrmals in Gesprächen gefallen, die Sie mit Leuten aus Ihrem Auslandsgeheimdienst und anderen Mitarbeitern der HVA führten.«
    Roberts Kopf taumelte hin und her. »Beale ist kein amerikanischer Spion. Unsere Nachforschungen sind rein privater Natur.«
    »Ach?«

    »Das ist die Wahrheit. Sie müssen mir glauben, Genosse Gomlek. Bitte, verbinden Sie doch endlich meine Frau!«
    Hannas Wimmern wurde lauter.
    »Das hat noch Zeit. Sie kennen doch sicher die Worte des großen Strategen: ›Wenn du deinen Gegner nicht besiegen kannst, dann lass ihn sich selbst besiegen.‹ Mag sein, dass ich nicht stark genug bin, um Sie zum Reden zu bringen, Herr Labin, aber gegen Ihre eigenen Gefühle kommen Sie auf die Dauer nicht an. Sagen Sie mir jetzt, was Sie so sehr an Thomas Beale interessiert. Was verbindet Sie oder Ihre Familie mit diesem Mann?«
    »Das weiß ich selbst nicht genau…«
    »Wir spielen hier kein Kaffeehausschach, Herr Labin. Sie sind am Zug. Geben Sie mir endlich klare Antworten, oder Ihre Frau…«
    Gomlek verstummte, weil die beiden Agenten in die Küche zurückkehrten.
    »Wir haben nur das hier gefunden, Genosse Oberstleutnant«, sagte der mit der fehlenden Augenbraue in fließendem Deutsch, wenn auch mit hartem Akzent.
    »Wodka?«
    »Sogar zwei Flaschen von dem feinsten Wässerchen. Von dem Jungen fehlt jede Spur. Er könnte höchstens noch hinter der Tür da sein.«
    »Du meinst, uns sitzt ein Kibitz im Nacken?«, entgegnete Gomlek vergnügt. Zum ersten Mal wandte er sein Gesicht direkt dem Versteck zu.
    Tim erschrak. Ihm war, als blicke er ins Antlitz eines haarlosen Ungeheuers. Dieser Mann hatte etwas von einem Kraken an sich. Hektisch krabbelte er zu der Kartoffelkiste, kletterte hinein, zog sich die Plane über den Kopf und hielt den Atem an.

    Einen lärmenden Herzschlag später wurde die Tür aufgerissen. Zwei feste Schritte. Durch die Ritzen zwischen den Brettern sah Tim schwere Stiefel. Direkt über ihm erklang die Stimme des Schnurrbärtigen. »Eine Speisekammer, Genosse Oberstleutnant. Kein Junge. Nur eine Kiste.«
    »Schau nach, was drin ist, Casim.«
    Tim sah durch den Spalt, wie der Mann in die Hocke ging und die Mündung einer Pistole vorüberglitt. Er kniff die Augen zu. Jetzt bist du fällig! Der Gedanke donnerte noch durch seinen Schädel, als unvermittelt Roberts aufgeregte Stimme dazwischenblitzte.
    »Also gut, ich gebe Ihnen, was Sie haben wollen.«
    Der Agent in der Kammer fuhr herum.
    Gomlek lachte. »Warum nicht gleich so, Herr Labin?« Und in ernsterem Ton fügte er hinzu: »Du kannst zurückkommen, Casim, und schließ die Tür hinter dir ab.«
    Tim hörte ein Klappen, und in der Kiste wurde es dunkel. Er atmete aus.
    Eine Weile wagte er nicht, sich zu rühren, aber dann wurde die Sorge um die Eltern übermächtig. Er schlüpfte unter der Plane hervor, kroch auf allen vieren zur Tür und spähte durch den Spalt.
    Das Kinn seiner Mutter war auf die Brust gesunken, so als schliefe sie. Ihr Bein blutete immer noch.
    Robert reckte seinem Peiniger trotzig das Kinn entgegen.
    Gomlek sagte amüsiert: »Ich hoffe für Sie, Ihr Zwischenzug war nicht bloß eine Finte.«
    Ehe Tims Vater etwas erwidern konnte, erschien wieder der Mann mit der fehlenden Augenbraue auf der Bildfläche und reichte seinem Boss einen geöffneten, vergilbten Briefumschlag. Gomlek entnahm ihm ein einzelnes, in der Mitte gefaltetes Blatt.

    »Eine Vollmacht in englischer Sprache. Wie interessant«, murmelte er, während er mit großen Augen den Inhalt des Papiers studierte. »Sogar beinahe hundertfünfzig Jahre alt!
    Und was haben wir denn da?« Gomlek fing an, aus dem Inhalt zu zitieren: ›»Ich verdanke Mr. Rosewood mein Leben… Er genießt mein vollstes Vertrauen… händigen Sie bitte Mr.
    Rosewood die Schachtel mit sämtlichen Papieren aus.‹
    Rosewood? Rosenholz? Klingt ja tatsächlich, als habe sich da einer Ihrer Ahnen um den Unterzeichner des Dokuments verdient gemacht. Da stehen nur die Initialien T. J. B. Woher wussten Sie, dass dieses Schriftstück von Thomas Jefferson Beale stammt?«
    »Weil es unzählige Veröffentlichungen über Robert Morriss und Beale gibt.«
    »Wo?
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