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Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
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meines Hauses.
    Mein Vater hat immer auf strenger Disziplin bestanden, was Waffen anging. Bei uns auf dem Land gab es nur Ja oder Nein, kein Vielleicht. Ich bin in einer Welt unumstößlicher moralischer Grundsätze aufgewachsen, und es wurde von mir erwartet, für das einzustehen, was richtig war. Mein Vater lehrte mich den Respekt vor Mensch und Tier. Vögel wurden für die Speisekammer erlegt, nicht zum Spaß. Ich erlernte das Tontaubenschießen, und es dauerte nicht lange, bis ich die Scheibe selbst in die Luft schleudern, die Flinte hochreißen und die Tontaube vom Himmel putzen konnte, ehe sie zu Boden fiel.
    Das Gewehrschießen bei der Army war anders, aber ich hatte schnell den Bogen raus und traf bald auf bis zu 550 Meter Entfernung ins Schwarze.
    Einmal, am Ende eines besonders langen Ausbildungstages, gingen wir zum Schießstand von Winchester. Ich drückte den Abzug meines Lee-Enfield .303, spürte den Rückschlag und traf mühelos das Ziel. Die Kameraden, die die Zielscheiben bedienten, waren hinter einem Erdwall in Deckung. Sie zeigten mit einem langen Stab, an dem eine tellergroße weiße Scheibe befestigt war, auf die Treffer. Als einer der Männer seinen Zeigestab zögernd auf das Schwarze richtete, um meinen Treffer anzuzeigen, lud ich das Gewehr durch und schoss ihm die weiße Scheibe vom Stab.
    Der Mann war nicht in Gefahr gewesen, aber ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich geprahlt hatte. Der Vorfall trug mir einen Rüffel ein, machte mich aber bei den einfachen Soldaten beliebt. Wegen meines Könnens mit der Waffe machte man mich zum »Star-Man«, und ich erhielt ein Schützenabzeichen, das ich an meiner Uniform zu tragen hatte.
    Ziemlich grässlich war die Ausbildung mit dem Bajonett. Bei den Rifles wurden Bajonette von jeher »Schwerter« genannt. Wir wurden darauf gedrillt, einen feindlichen Soldaten aus nächster Nähe zu töten – so nahe, dass man seinen Atem riechen und sehen konnte, ob er sich morgens rasiert hatte. Bei der Ausbildung erhielten wir den Befehl, schreiend und brüllend auf dreißig Meter entfernt stehende Puppen in Menschengestalt loszustürmen. Wir mussten ihnen die Klinge in die Eingeweide stoßen, sie herausziehen, den Gewehrkolben herumschwenken und ihn der Puppe im Vorbeilaufen gegen den Kopf rammen.
    Sergeant Bendle beobachtete uns missbilligend. Er war ein untersetzter Mann, klein und zäh. »Lauter, lauter!«, brüllte er, bis sein Gesicht knallrot war, und er gab sich nicht eher zufrieden, bis wir mit der gleichen Lautstärke brüllten wie er.
    Das Gebrüll war psychologische Kriegführung und half einem, den Bajonettangriff durchzustehen. Wir mussten ihn immer wieder üben, bis wir ihn beherrschten. Danach wusste ich: Sollte es wirklich mal hart auf hart kommen, würde ich nicht derjenige sein, der sich in Todesqualen am Boden wand.
    Das Bajonettfechten Mann gegen Mann war nicht ganz so schlimm, weil es einem wenigstens ein bisschen wie Sport vorkam. Wir bekamen Gewehre mit Federbajonetten, auf deren Spitze eine Schutzkappe saß. Wenn wir einen Stich erhielten, den wir nicht abwehren konnten, sollte das Bajonett sich in den Griff zurückschieben. Die Berufssoldaten aber stießen noch einmal nach und rammten einem das Ding vor den Bauch, was unglaublich wehtat. Anderseits erinnerte es einen daran, was passierte, wenn man nicht auf der Hut war.
    Von Winchester wurden wir nach Tidworth auf der Salisbury Plain verlegt. Dort gab es einen Offizier, der bei den Männern besonders beliebt war. Er war ein adretter, gut aussehender Bursche mit dunklem Menjoubart und stets ordentlich gekämmtem Haar.
    Wenn ich mich recht erinnere, war er damals Second Lieutenant und ein erstklassiger Offizier, aber die meisten von uns kannten ihn besser als Raffles, den Gentleman-Dieb. Der Film war kurz vor dem Krieg in die Kinos gekommen, und die Poster hingen noch überall. Unser Lieutenant war niemand anders als der zuvorkommende und kultivierte Filmstar David Niven.
    Nach einer Übung sammelten wir uns zur Nachbesprechung um ihn, aber in Wirklichkeit wollten wir Klatsch und Tratsch aus der Welt des Glamours hören. Niven machte es nichts aus, mit uns, seinen Fans, zu reden, denn er war bereits vor dem Krieg in Sandhurst ausgebildet worden und passte sich nun wieder an das Leben im Militär an. Er hatte gerade mit Olivia de Havilland gedreht, aber es war eine gewisse Ginger, sein Co-Star in Die Findelmutter , über die er am meisten sprach. Wir alle wussten, wen er meinte. Es
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