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Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe
Autoren: Steve Hamilton
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versammelt in einem zerdellten Schuhkarton. Ein Pager war mit weißem Isolierband markiert, einer mit gelbem, einer mit grünem, einer mit blauem. Der letzte mit rotem. Der Ghost hatte gesagt, wenn einer von den ersten vier klingelt, rufst du die Nummer im Display an und hörst, was man dir sagt. Sie wissen, dass du ihnen nicht antworten kannst. Sollte jemand nicht Bescheid wissen, ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass die falsche Person am Telefon ist und du aufhängen solltest. Angenommen aber, die Leute sind im Bilde, dann hörst du dir an, was sie zu sagen haben, und triffst dich mit ihnen an dem angegebenen Ort. Wenn du immer noch den Eindruck hast, dass alles okay ist, gehst du mit ihnen und machst den Job. Du erledigst deinen Auftrag zuverlässig, dann kann jeder nur gewinnen. Sie werden dich anständig entlohnen, denn sie wissen, dass du den Pager sonst nicht anfasst, wenn sie wieder anrufen.
    Darüber hinaus werden sie gewissenhaft die zehn Prozent »Benutzungsgebühr« an den Mann in Detroit schicken. Weil ihnen ihr Leben lieb ist.
    Das gilt für die ersten vier Pager. Der letzte, der rot gekennzeichnete … das ist der Mann persönlich. Der Mann in Detroit. Du rufst die Nummer sofort an. Du tust, was der Mann dir sagt. Du erscheinst pünktlich genau dort, wohin er dich bestellt.
    »Mit diesem Mann legt man sich nicht an.« Das waren die genauen Worte des Ghost. »Leg dich mit ihm an, dann kannst du dich auch gleich selbst umbringen und allen die Mühe ersparen.«
    Ich wusste, dass er nicht übertrieb. Ich hatte genug mit eigenen Augen gesehen, um mir darüber im Klaren zu sein, dass ich seinen Rat unbedingt beherzigen musste. Doch was sollte ich so lange machen, während ich auf den nächsten Auftrag wartete? Wie lange würde ich hierbleiben und mich in diesem verlassenen Zimmer über dem Chinarestaurant in der 128 th Street verstecken müssen, ehe sich wieder jemand meldete und ich ein bisschen Geld verdienen konnte?
    Würde ich vorher verhungern? Oder erfrieren?
    Darüber hatte der Ghost keine Auskunft gegeben.
     
    Als es auf Weihnachten zuging, verließ ich dann doch ab und zu mal das Haus. Ich lief zu einem Park ein paar Blocks weiter südlich und setzte mich auf eine Bank. Irgendwann musste ich auch ein paar neue Sachen zum Anziehen kaufen. Ich war noch nicht pleite, wohlgemerkt. Für den Job in Pennsylvania war ich gut bezahlt worden. Aber ich konnte rechnen und wusste, dass es nicht mehr lange so weiterging.
    Um alles noch einen Tick schlimmer zu machen, eröffnete mir einer der Männer aus dem Restaurant, dass ich ihm helfen müsse, wenn er mich weiter mit Essen versorgen solle. Er gab mir einen dicken Stapel Flyer mit der Speisekarte darauf und wies mich an, die Häuser in der Nachbarschaft abzuklappern, mir irgendwie Zutritt zu verschaffen und unter jede Wohnungstür einen Flyer zu schieben. Ich wusste, dass manche Gebäude einen Türsteher am Eingang hatten und dass man bei den anderen von jemandem per Sprechanlage hereingelassen werden musste. Daher war ich nicht sicher, wie ich die Dinger verteilen sollte. Ich meine, okay, ich hätte bei den meisten Häusern den Hintereingang ausfindig machen und das Schloss knacken können, aber war es das wert?
    »Du hast nettes feines Gesicht«, sagte der Mann. Sein Englisch war noch nicht ganz auf der Höhe. »Leute lassen dich rein.«
    Also ging ich mit meinem netten feinen Gesicht und meinem Stapel Flyer von Haus zu Haus. Ich nahm mir vor, mich gar nicht erst groß zu verstellen, sondern ganz offen zu sein mit dem, was ich da tat. Die Prospekte vorzuzeigen und pantomimisch unter eine Tür zu schieben. Dazu hier und da noch ein bisschen Gebärdensprache einzuwerfen. Es schien zu wirken. In die meisten Gebäude ließ man mich hinein.
    Eines Tages, ich arbeitete mich gerade durch einen langen Etagenflur vor, ging plötzlich eine Tür auf, als ich eine Speisekarte unter ihr durchschieben wollte. Noch ehe ich mich aufrichten konnte, packten mich zwei Hände an den Schultern und stießen mich mit solcher Wucht an die Wand gegenüber, dass mir die Luft wegblieb.
    Ich hob den Kopf und blickte in das Gesicht des Mannes. Es versetzte mich wieder an jenen Abend zurück, als ich neun war und dieser andere Kerl den Schnapsladen meines Onkels ausgeraubt hatte. Die gleiche animalische Furcht in den Augen. Ein ekliger Gestank nach ungewaschenen Klamotten, Urin, vielleicht auch Furcht an sich, drang auf mich ein. Ich trat nach seinen Knien, worauf er
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