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Der Mann auf dem Balkon

Der Mann auf dem Balkon

Titel: Der Mann auf dem Balkon
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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der Hüfte mit der Handfläche nach oben. Das halblange blonde Haar war ihm über die Wange gefallen. Das Mädchen war barfuß und trug einen Rock und einen quergestreiften Pulli, der so weit hinaufgerutscht war, daß der nackte Bauch zu sehen war.
    Es war ungefähr neun Jahre alt. Das Kind war tot, das stand fest.
    Es war 8 Uhr 55, als Joke und sein Kamerad das 9. Polizeirevier in Surbrunnsgatan betraten. Unzusammenhängend und nervös berichteten sie einem Polizisten, der Granlund hieß und Wachhabender und Erster Polizeiassistent war, von ihrer Entdeckung im Vanadislunden. Zehn Minuten später waren Granlund und vier Polizisten am Tatort.
    Vor nur zwölf Stunden waren zwei der vier Polizisten zu einer anderen, nicht weit entfernten Stelle des Parks gerufen worden, wo abermals einer dieser Raubüberfälle stattgefunden hatte. Da fast eine Stunde zwischen dem Raubüberfall und dem Zeitpunkt der Meldung vergangen war, hatte man angenommen, der Verbrecher habe sich längst weit vom Tatort entfernt. Sie hatten deshalb die Umgebung nicht näher abgesucht und konnten folglich nicht sagen, ob der Körper des Mädchens zu jenem Zeitpunkt bereits dort gelegen hatte oder nicht.
    Die fünf Polizisten stellten fest, daß das Mädchen tot war; und soweit sie als Laien das beurteilen konnten, hatte man es erwürgt. Also ein Mord. Mehr ließ sich im Augenblick nicht sagen.
    Während sie auf die Kriminalpolizei und die Männer von der technischen Abteilung warteten, waren sie vor allem damit beschäftigt, Neugierige fernzuhalten.
    Granlund ließ den Blick über den Tatort wandern. Die Männer von der Kriminalpolizei würden keine leichte Arbeit haben. Seitdem der Körper hier lag, hatte es offenbar lange und kräftig geregnet. Granlund hatte sogar eine ziemlich konkrete Vorstellung, wer die Kleine war. Dieses Wissen bedrückte ihn noch zusätzlich.
    Am Abend zuvor war um elf Uhr eine angsterfüllte Mutter zum Polizeirevier gekommen und hatte darum gebeten, nach ihrer kleinen Tochter zu suchen. Das Mädchen war achteinhalb Jahre alt. Es sei gegen sieben Uhr zum Spielen gegangen.
    Seitdem habe sie nichts mehr von ihm gesehen oder gehört. Vom 9. Polizeirevier aus hatte man die Fahndungsabteilung der Kriminalpolizei alarmiert, und alle Streifen hatten die Personalbeschreibung des Mädchens bekommen. Die Unfallstationen der Krankenhäuser waren kontrolliert worden.
    Die Beschreibung schien leider zu stimmen.
    Soweit Granlund informiert war, hatte man das vermißte Kind noch nicht gefunden. Außerdem wohnte es im Sveavägen, dicht beim Vanadislunden. Es schien also kein Zweifel möglich.
    Er dachte an die Eltern des Mädchens, die nun angstvoll zu Hause warteten. Im stillen betete er, daß nicht er ihnen die Nachricht überbringen müßte.
    Als der Mann von der Kriminalpolizei endlich erschien, hatte Granlund das Gefühl, bereits Ewigkeiten im Sonnenschein unweit des kleinen, toten Kinderkörpers gestanden zu haben.
    Sobald die Experten ihre Arbeit aufgenommen hatten, ging Granlund zum 9. Revier zurück. Das Bild des toten Mädchens immer noch vor Augen.

7
    Als Kollberg und Rönn den Tatort im Vanadislunden erreichten, war das Gelände hinter dem Wasserturm bereits abgesperrt worden. Der Fotograf hatte seine Arbeit beendet, und der Arzt war mit einer ersten Routineuntersuchung der Leiche beschäftigt.
    Die Erde war noch immer feucht. Die wenigen frischen Fußspuren in der Nähe des Körpers stammten aller Wahrscheinlichkeit nach von den Männern, die die Leiche gefunden hatten. Die Holzschuhe des Mädchens lagen ein Stück entfernt bei dem roten Bretterzaun.
    Als der Arzt sich endlich aufrichtete, sah Kollberg ihn fragend an.
    »Nun?«
    »Erwürgt«, sagte der Arzt. »Möglicherweise auch vergewaltigt.« Er zuckte die Schultern.
    »Und wann?«
    »Irgendwann gestern abend. Näheres kann man erst nach der Autopsie sagen, wenn man weiß, wann sie gegessen hat.«
    »Ja, ich weiß. Glaubst du, daß es hier passiert ist?«
    »Es deutet nichts auf das Gegenteil hin«, antwortete der Arzt. Kollberg schüttelte den Kopf. »Ein Elend, daß es so geregnet hat.«
    »Ja«, sagte der Arzt und ging zu seinem Auto.
    Kollberg blieb noch eine halbe Stunde, dann fuhr er mit einem Wagen des 9. Reviers zur Wache in der Surbrunnsgatan.
    Der Kommissar saß an seinem Schreibtisch und las einen Bericht, als Kollberg das Büro betrat. Er grüßte, legte das Blatt beiseite und deutete auf den Stuhl. Kollberg nahm Platz.
    »Abscheuliche Geschichte.«
    »Ja«,
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