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Der Mann auf dem Balkon

Der Mann auf dem Balkon

Titel: Der Mann auf dem Balkon
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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»Heute bekam ich das Gutachten des technischen Sachverständigen. Ich habe versucht, dich anzurufen, aber du warst schon weg.«
    Sie standen an der Brandstätte in Borenshult, und zwischen den Holzlatten des Zaunes schimmerten der Binnensee und die Schleusentreppe, aus der sie drei Jahre zuvor eine tote Frau gezogen hatten. Von dem abgebrannten Haus waren nur noch die Fundamente und der Schornstein übrig. Einen kleinen Schuppen hatte die Feuerwehr in letzter Minute retten können.
    »Wir haben etwas Diebesgut gefunden«, sagte Ahlberg. »Er war Hehler, dieser Larsson. Er war schon früher mal verurteilt worden, also war es keine große Überraschung. Wir werden ein Verzeichnis über die Sachen veröffentlichen.« Martin Beck nickte abermals. Nach einer Weile sagte er: » Er hatte einen Bruder in Stockholm, der im Frühjahr nach einem Schlaganfall gestorben ist. Der war auch Hehler.«
    »Lag vielleicht in der Familie«, meinte Ahlberg.
    »Der Bruder wurde nie überführt, aber Melander hat sich an ihn erinnert.«
    »Melander, ja«, sagte Ahlberg, »mit seinem Gedächtnis wie ein Elefant. Ihr arbeitet nicht mehr zusammen, oder?«
    »Nur hin und wieder. Er sitzt jetzt in der Kungsholmsgatan. Kollberg auch, von heute ab. Verdammt viele Versetzungen in letzte Zeit«
    Sie drehten sich um und gingen schweigend zum Auto zurück.
    Eine Viertelstunde später bremste Ahlberg vor dem Polizeigebäude, einem langen gelben Ziegelbau an der Ecke Prästga-Kungsgatan, ganz dicht am Storatorget und am Denkmal von Baltzar von Platen. Er schielte zu Martin Beck hinüber und sagte: »Da du nun sowieso hier bist und außerdem Urlaub hast, kannst du wo noch einige Tage bleiben?«
    Martin Beck nickte.
    »Wir können mit dem Motorboot hinausfahren«, schlug vor.
    Am Abend aßen sie im Stadthotel eine ausgesucht gute Rotforelle aus dem Vätternsee. Dazu tranken sie eine Flasche Wein.
    Am Sonnabend fuhren sie mit dem Motorboot hinaus. Auch Sonntag. Am Montag lieh sich Martin Beck das Motorboot. Am Dienstag ebenfalls. Am Mittwoch fuhr er nach Vadstena und sah sich das Schloß an.
    Das Hotel, in dem er in Motala wohnte, war modern und bequem. Er genoß Ahlbergs Gesellschaft. Er las einen Roman von Kurt Salomonson mit dem Titel Der Mann draußen und ließ es sich gut gehen.
    Er hatte es auch verdient. Es war ein arbeitsreicher Winter gewesen und ein hektisches Frühjahr. Aber es bestand immer noch die Hoffnung auf einen geruhsamen Sommer.

5
    Der Verbrecher hatte nichts gegen das Wetter einzuwenden.
    Am frühen Nachmittag hatte es zu regnen angefangen, zuerst stark, dann weniger, und gegen sieben hatte es ganz aufgehört. Aber, die Büsche waren noch naß, und der Himmel war gleichmäßig grau. Man konnte sehen, daß es bald wieder regnen würde, Nun war es neun Uhr, und die Dämmerung breitete sich allmählich unter dem Laubdach der Bäume aus. Es würde noch eine Weile dauern, bis die Laternen eingeschaltet wurden.
    Der Handtaschenräuber hatte den dünnen Plasteregenmantel ausgezogen und neben sich auf die Parkbank gelegt. Er trug Tennisschuhe, Khakihosen und einen sauberen grauen Dralonpullover mit einem Monogramm auf der Brusttasche. Ein großes rotes Taschentuch hatte er sich lose um den Hals geknotet. Seit mehr als zwei Stunden hielt er sich schon in der Anlage und in deren näherer Umgebung auf. In dieser Zeit hatte er etwa zehn Menschen im Park gesehen und sie sorgfältig abgeschätzt. Zwei Fälle waren ihm besonders interessant erschienen. In beiden Fällen hatte es sich nicht um einen einzelnen Spaziergänger gehandelt, sondern um zwei Menschen.
    Das erste Paar waren ein Mann und eine Frau, beide jünger als er selbst. Das Mädchen hatte Sandalen angehabt und ein kurzes, schwarzweiß gemustertes Sommerkleid, der Junge einen eleganten blauen Blazer und hellgraue Hosen. Sie hatten sich in die schattigste und entlegenste Gegend des Parks verzogen. Da hatten sie gestanden und einander umarmt, das Mädchen mit dem Rücken gegen einen Baumstamm gelehnt. Und schon nach wenigen Sekunden hatte der Jüngling unter ihr Kleid gegriffen, die Hand hinter das Gummiband ihres Schlüpfers gezwängt und seine Finger zwischen ihren Beinen vergraben. Die Fußstellung sofort verändernd, hatte sie geflüstert: »Wenn jetzt jemand kommt!« Rein gewohnheitsmäßig, denn wenig später hatte sie die Augen geschlossen und begonnen, den Unterleib rhythmisch und schlangenartig zu bewegen und den gutgeschnittenen Haaransatz des Jungen mit den Fingern der linken
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