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Der Mann auf dem Balkon

Der Mann auf dem Balkon

Titel: Der Mann auf dem Balkon
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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alte Schraube.«
    Er riß das Blatt mit den Notizen ab und wischte sorgfältig das Ohrenschmalz vom Stift.
    »Die Leute sind verrückt«, sagte er schließlich. »Und dann wundern sie sich noch, wenn wir nichts unternehmen. Warum stellt man uns nur solche Anrufe durch? Es sollte eine direkte Leitung zum Irrenhaus geben.«
    »An so etwas gewöhnst du dich«, sagte Melander. Er nahm ungerührt sein Telefonbuch, klappte es zu und verschwand im Nebenzimmer.
    Gunvald Larsson war mit dem Säubern des Kugelschreibers fertig, knüllte das Papier zusammen und warf es in den Papierkorb. Mit einem mißmutigen Blick auf die Tasche an der Tür fragte er: »Willst du verreisen?«
    »Bloß für ein paar Tage nach Motala«, antwortete Martin Beck. »Ich soll mir nur eine Sache dort ansehen.«
    »Ach so.«
    »Bleibe höchstens eine Woche weg. Aber Kollberg kommt heute zurück. Er wird von morgen ab hier Dienst machen. Du brauchst dich also nicht zu beunruhigen.«
    »Ich beunruhige mich auch nicht.«
    »Übrigens, dieser Handtaschenräuber…«
    »Ja?«
    »Ach, nichts.«
    »Probiert er das noch ein paarmal, so erwischen wir ihn«, sagte Melander vom Nebenzimmer her.
    »Bestimmt«, sagte Martin Beck. »Also, auf Wiedersehen.«
    »Wiedersehen«, grunzte Gunvald Larsson.

3
    Martin Beck traf neunzehn Minuten vor Abgang des Zuges am Hauptbahnhof ein. Die Wartezeit benutzte er zur Erledigung von Telefongesprächen. Zuerst rief er zu Hause an.
    »Hättest du nicht noch vorher nach Hause kommen können?« fragte seine Frau.
    Er überhörte den indirekten Vorwurf und begnügte sich mit der Mitteilung: »Ich werde im ›Palace Hotel‹ wohnen. Nur damit du Bescheid weißt.«
    »Wie lange bleibst du fort?«
    »Eine Woche.«
    »Woher weißt du das so genau?«
    Das war eine gute Frage. Dumm war sie zumindest nicht, dachte Martin Beck, als er sagte: »Grüß die Kinder.« Nach kurzem Überlegen fügte er hinzu:
    »Laß es dir gut gehen.«
    »Danke«, entgegnete sie kühl.
    Er legte auf und holte ein neues Fünfundzwanzig-Öre-Stück aus der Hosentasche. Vor der Telefonzelle hatte sich eine Schlange gebildet, und die am nächsten Stehenden blickten ihn mißbilligend an, als er die Münze einwarf und die Nummer des Polizeireviers Süd drehte. Es dauerte einige Minuten, bis er Kollberg am Apparat hatte.
    »Tag. Ich wollte nur sicher sein, daß du auch eingetrudelt bist.«
    »Sehr fürsorglich«, sagte Kollberg. »Kannst du nicht noch vorbeikommen?«
    »Keine Zeit mehr. Wie geht es Gun?«
    »Gut. Sieht natürlich jetzt aus wie eine Telefonzelle.
    Gun war Kollbergs Frau und erwartete Ende August Anfang September ein Baby.
    »In einer Woche bin ich zurück.«
    »Ich hab's vernommen. Danach mache ich hier übrigens keinen Dienst mehr!« Es blieb einige Zeit still. Dann fragte Kollberg: »Was willst du in Motala?«
    »Dieser Kerl da…«
    »Welcher Kerl?«
    »Ein Schrotthändler, der in der vorletzten Nacht verbrannt ist. Hast du nicht…?«
    »Ich hab es in den Zeitungen gelesen. Na, und?«
    »Ich soll runterfahren und mir die Sache ansehen.«
    »Können die nicht mal allein einen gewöhnlichen Brand aufklären?«
    »Sie haben gebeten…«
    »Hör mal«, unterbrach ihn Kollberg, »das kannst du deiner Frau erzählen, aber mir machst du nichts vor. Ich weiß genau, was sie wollen und wen sie wollen. Wer ist jetzt der Chef der Ermittlungsabteilung in Motala?«
    »Ahlberg, aber…«
    »Eben. Und außerdem weiß ich, daß du für die nächste Woche fünf Tage Urlaub genommen hast. Du fährst also nach Motala, um mit Ahlberg vor dem Stadthotel zu sitzen und zu saufen. Oder vielleicht nicht?«
    »Tja, aber…«
    »Viel Vergnügen«, sagte Kollberg freundlich, »und grüß Ahlberg schön.«
    »Danke.«
    Martin Beck hängte den Hörer ein, und der nächste schob sich mit runden Armen rudernd an ihm vorbei. Martin Beck zuckte die Schultern und ging hinaus auf den Bahnsteig.
    Kollberg hatte nicht so ganz unrecht, was an und für sich keine Rolle spielte. Nur war es verdrießlich, wenn man so leicht durchschaut wurde. Beide, er und Kollberg, hatten Ahlberg drei Jahre zuvor bei der gemeinsamen Bearbeitung eines Mordfalls kennengelernt. Die Ermittlungen hatten sich über Monate ausgedehnt, und im Laufe der Zeit waren sie gute Freunde geworden. Normalerweise wäre es Ahlberg nie eingefallen, von der Reichspolizei Hilfe zu erbitten, und er selbst würde ungern auch nur einen halben Diensttag für diesen Fall geopfert haben.
    Mit einem Blick auf die Bahnhofsuhr stellte
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