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Der magische Wald

Titel: Der magische Wald
Autoren: Paul Kaerney
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noch von dem heftigen Kontakt mit Großmutters Handfläche. Aber er hatte nicht geweint. Die Erinnerung an das, was er am Fluß gesehen hatte, wirbelte immer noch durch seinen Kopf, und dort unten hatte er genug geweint, als er gedacht hatte, daß es um ihn geschehen sei.

    Heißhungrig machte er sich über das Essen her, verschlang gierig Kartoffeln, Möhren und den Lammbraten mit der dicken Soße, trank seine Milch in so großen Schlucken, daß ein weißer Schnurrbart seine Oberlippe zierte. Ab und zu warf ihm seine Großmutter dabei einen scharfen Blick zu, in dem sich Mißbilligung und Sorge mischten. Michael merkte aber nichts davon. Er vergrub seine Nase in seinem Glas, ließ seinen Gedanken freien Lauf. Waren die Gestalten, die er unten am Fluß gesehen hatte, das, was seine Großeltern ›Terroristen‹ nannten diejenigen, die seine Mammy und seinen Daddy umgebracht hatten? Bei diesem Gedanken vergaß er für einen Moment das Schlucken. Er hatte von einem Terroristen die unklare Vorstellung eines maskierten Monsters, das die Dunkelheit liebte und Menschen zum Vergnügen tötete. Und wahrscheinlich stanken sie auch. Vielleicht sollte er besser davon erzählen ... Er blickte sich mit einem seltsamen Schuldgefühl am Tisch um. Sein Großvater hatte den Teller von sich geschoben und zündete mit einem Streichholz seine Pfeife an. Das Licht der Flamme betonte seine große römische Nase und ließ die Furchen in seinem Gesicht wie eine zerklüftete Felswand hervortreten. Sein schlohweißes Haar war noch immer so dicht wie vor dreißig Jahren, und er saß immer noch kerzengerade am Tisch. Die schaufelgroße Hand, in der er die Pfeife hielt, war bräunlich und voller Leberflecke. Die Lohnarbeiter nannten ihn den ›Hauptmann‹, weil er gewöhnlich ein Paar alter Kniebundhosen und Ledergamaschen trug. Michael war immer wieder davon beeindruckt, wie unter seinen Stiefeln Funken sprühten, wenn er über Pflaster ging. Seine Großmutter räumte jetzt mit Hilfe ihrer beiden Töchter den Tisch ab. Seine Tante Rose, selbst fast noch ein Kind, zwinkerte ihm zu, als sie mit einem Stapel schmutzigen Geschirrs in Richtung Küche ging. Er ließ unter dem Tisch die Beine baumeln, paßte aber auf, daß er Dämon nicht zu nahe kam, dem alten, bösartigen Collie seines Großvaters, der bei den Mahlzeiten dorthin kroch, um ein paar Brocken zu ergattern. Dämon war der einzige Fall, bei dem er jemals erlebt hatte, daß seine Großeltern unterschiedlicher Meinung waren: die Anwesenheit des Collies unter dem Tisch beim Essen. Michael mochte den Hund nicht. Er war pechschwarz, knochig, vergötterte sein Herrchen und verachtete den Rest der Menschheit.Abererhatte Großvaterein Dutzend Jahre lang auf Schritt und Tritt begleitet, und so durfte er bleiben, obwohl das Haus Großmutters Reich war. Michaels Onkel Sean drehte sich leise ein Lied summend eine Zigarette. Er hatte das Gesicht eines Filmstars, und seine Schwestern liebten ihn abgöttisch. Die fertige Zigarette steckte er in den Mund, tastete ruhig nach den Streichhölzern und warf Michael dabei ein Lächeln zu. Die Leute sagten, daß Sean mit dem dichten schwarzen Haar, das ihm ins Gesicht fiel und mit den meergrauen Augen, die das Markenzeichen der Familie Fay waren, wie Clark Gable aussah. Wenn er frischgewaschen und herausgeputzt bei den Tanzveranstaltungen, die am Ende jeden Monats im Gemeindesaal stattfanden, erschien, umschwärmten ihn die Mädchen der Gegend wie die Wespen einen Honigtopf. Doch er schien sich daraus nichts zu machen. Seine Gedanken kreisten ständig um die Farm. Seine Vorstellungen darüber, was man verbessern könnte, brachten ihn oft in Widerspruch zu seinem Vater. Eines Morgens hatte Michael gehört, wie ein paar der Arbeiter sich über Sean unterhalten hatten. Er sei einfach zu sehr ein verdammter Gentleman, hatten sie gesagt, und einer hatte kichernd behauptet, daß sein ›John Thomas‹ schon längst zu Knopfgröße geschrumpft wäre, wenn ihm selbst so viele Muschis angebotenwordenwären wieSean. Irgendwie hatte Michael gewußt, daß das keine Sache war, die man beim Abendessen zur Sprache bringen sollte, und er hatte daran gedacht, Tante Rose danach zu fragen, die oft mit ihm in dem kleinen Fluß angelte und die ihn mit zu sich ins Bett nahm, wenn ein Gewitter tobte. Die Stühle wurden zurückgeschoben, und ein paar Rülpser ertönten. (Seine Großmutter war noch in der Küche, sonst hätte sich das niemand getraut.)

    Tabakqualm kräuselte sich im
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