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Der Maedchensammler

Der Maedchensammler

Titel: Der Maedchensammler
Autoren: Iris Johansen
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schloss.
    Janes Bemerkungen waren wieder mal typisch gewesen: kämpferisch, fürsorglich und viel zu erwachsen für ihr Alter.
    Eve war zu Jane ins Zimmer gegangen, um sie zu trösten, stattdessen hatte Jane sie getröstet.
    »Stimmt irgendwas nicht?« Joe stand in ihrer Schlafzimmertür. »Geht es Jane gut?«
    »Sie hatte einen Albtraum.« Eve ging auf die Tür zu ihrer Werkstatt zu. »Aber sie will nicht drüber reden. Wahrscheinlich hält sie Albträume für ein Zeichen von Schwäche, und sie würde ja um Himmels willen keine Schwäche zugeben.«
    »Da kenne ich noch jemanden, der genauso ist.« Joe folgte ihr.
    »Wie wär’s mit Kaffee? Ich könnte jedenfalls eine Tasse gebrauchen.«
    Sie nickte. »Klingt gut.« Sie trat an ihren Sockel. »Könntest du sie morgen zur Führerscheinprüfung begleiten?«
    »Klar. Hatte ich sowieso vor.«
    »Ich hatte das ganz vergessen.« Sie verzog das Gesicht.
    »Du bist wirklich ein guter Vater, Joe. Da kann ich nicht mithalten.«
    »Du arbeitest ja auch wie eine Besessene.« Er schüttete Kaffeepulver in die Kaffeemaschine. »Und das ist auch noch meine Schuld. Außerdem wollte Jane keine Eltern, als sie zu uns kam. Sie war keine kleine, hilflose Waise. Sie mag vielleicht erst zehn gewesen sein, aber sie war so ausgebufft wie eine Dreißigjährige. Wir tun unser Bestes, ihr ein gutes Zuhause zu geben.«
    »Aber ich wollte so gern …« Eve starrte den Schädel an, ohne ihn wirklich wahrzunehmen. »Sie ist siebzehn, Joe. Hast du sie jemals von Jungs reden hören oder davon, dass sie zum Schulball oder auch nur zu einem Footballspiel gehen will? Sie paukt, sie spielt mit Toby, und sie zeichnet. Das reicht nicht.«
    »Sie hat Freundinnen. Erst letzte Woche hat sie bei Patty übernachtet.«
    »Und wie oft kommt das vor?«
    »Ich finde sie ziemlich ausgeglichen, wenn man bedenkt, was für eine Geschichte sie hinter sich hat. Du machst dir zu viele Gedanken.«
    »Vielleicht hätte ich viel früher anfangen sollen, mir Gedanken zu machen. So vernünftig, wie sie ist, vergesse ich einfach immer wieder, dass sie noch ein Kind ist.«
    »Nein, das hast du nicht vergessen. Dir wird einfach immer deutlicher bewusst, wie ähnlich ihr beide euch seid. Zu wie vielen Schulbällen bist du denn als junges Mädchen gegangen?«
    »Das ist was anderes.«
    »Na klar, du bist nicht von einer Pflegefamilie in die nächste gesteckt worden, du hattest bloß eine drogensüchtige Mutter.«
    Sie verdrehte die Augen. »Also gut, wir haben es beide schwer gehabt, als wir klein waren, aber ich wollte für Jane was Besseres.«
    »Aber Jane muss es auch wollen. Wahrscheinlich findet sie Schulbälle einfach albern. Kannst du dir Jane in einem Rüschenkleid in einer von diesen Stretchlimousinen vorstellen, die die Kids sich heute mieten?«
    »Sie ist sehr hübsch.«
    »Natürlich ist sie sehr hübsch«, sagte Joe. »Und sie ist stark und klug, und ich würde sie gern auf meiner Seite wissen, wenn ich in der Klemme sitze. Aber sie ist kein Püppchen, Eve.« Er füllte eine Tasse mit Kaffee und brachte sie ihr. »Und jetzt hör endlich auf, sie in diese Rolle zu drängen.«
    »Als wenn ich das könnte. Niemand kann Jane zu etwas drängen, was sie nicht will.« Sie nippte an ihrem Kaffee und verzog das Gesicht. »Ziemlich stark. Du willst offenbar dafür sorgen, dass ich lange genug wach bleibe, um diesen Schädel zu beenden, was?«
    »Ja.«
    »Warum? Das passt überhaupt nicht zu dir. Selbst Jane ist das aufgefallen.«
    »Es ist sehr wichtig für den Fall. Hast du ihr schon einen Namen gegeben?«

    »Natürlich. Ruth. Du weißt doch, dass ich ihnen immer als Allererstes einen Namen gebe. Das hat etwas mit Respekt zu tun.«
    »War ja nur eine Frage.« Er ging zur Haustür. »Ich glaube, ich höre Toby.«
    »Und du weichst vom Thema ab.«
    »Ja.« Er lächelte sie über die Schulter hinweg an. »Nach all den Jahren muss ich mir ein bisschen was Geheimnisvolles bewahren. Wenn ich zu durchschaubar werde, langweilst du dich am Ende noch mit mir.«
    »Keine Sorge.« Sie wandte sich von ihm ab. »Es mag mal eine Zeit gegeben haben, da wusste ich immer, was du als Nächstes tun würdest, aber das ist lange vorbei.«
    »Verdammt.«
    Als sie sich zu ihm umdrehte, schaute Joe sie wütend an. »Tut mir leid. Das hätte ich nicht sagen sollen.«
    »Da hast du allerdings Recht«, sagte er heiser. »Auch wenn ich weiß, dass du es denkst. Wann wirst du mir endlich vertrauen, verdammt?«
    »Ich vertraue dir.«
    »Bis zu einem
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