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Der Maedchenmaler

Der Maedchenmaler

Titel: Der Maedchenmaler
Autoren: Monika Feth
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doch.
    Die Zimmer seiner Kindheit hatten eine Verbindungstür gehabt, von beiden Seiten tapeziert. Sie hatte Ruben nie gefallen. Eine ehrliche Tür war für ihn eine, die für jeden als solche erkennbar war. Die Tapetentür war die Art von Tür gewesen, wie sie in Romanen des achtzehnten Jahrhunderts vorkam. Sie hätte in das Zimmer adliger Damen gepasst, die heimlich ihre Liebhaber empfingen. Sie hatte etwas Schlüpfriges, Gemeines gehabt. Dabei waren seine Gefühle weder schlüpfrig gewesen noch gemein. Sie waren €¦
    Aus den Augenwinkeln sah Ruben, dass die Architektin ihn beobachtete. Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, wie um jede Regung abzuwischen, und wandte sich zur Treppe.
    »Ich möchte gern noch mal kurz durch den Garten gehen«, sagte er.
    Dreitausend Quadratmeter. Und weit und breit kein Nachbarhaus. Das war wesentlich, darauf vor allem kam es an. Es gab einen groߟen, alten Teich, hohe Bäume, verwilderte Sträucher und eine Bank vor einem runden Tisch aus Stein. Moos und Grünspan hatten sich in die Ritzen gesetzt. Abgestorbene Blätter hatten sich darauf zusammengerollt.
    »Es ist wie im Märchen.« Die Architektin blickte sich um. »Das Einzige, was diesem verwunschenen Garten noch fehlt, ist eine Fee. Oder ein Zauberer«, setzte sie rasch hinzu, als sie bemerkte, was sie da gesagt hatte.
    Ruben lächelte. Er sah, wie sie errötete.
    »Stimmt.« Er zupfte einen Holzspan von ihrer Schulter. »Dann wäre all das hier perfekt.«
    Sie reagierte mit einem nervösen kleinen Lachen auf seine Berührung. Langsam schlenderten sie zum Haus zurück.
    Er folgte ihr die Treppe hinunter in die Kellerräume und war mit dem, was ihn erwartete, sehr zufrieden. Alles war so weit fertig, sogar die Wände und Decken waren bereits verputzt. Als Nächstes war der Fliesenleger an der Reihe. Die Wandkacheln lagen im Flur gestapelt, weiߟe fürs Bad, lichtgraue für die Küche. Zur Auflockerung der Flächen hatte Ruben bunte Mosaike vorgesehen.
    Gleich zu Anfang hatte die Architektin die heikle Frage gestellt, warum der Keller schallisoliert werden sollte.
    »Ich spiele Schlagzeug«, hatte Ruben geantwortet. Er hatte sich das vorher zurechtgelegt und sie hatte die Erklärung geschluckt.
    Danach war das Thema nicht mehr angerührt worden. Die Notwendigkeit, hier unten ein Bad und eine Küche einzurichten, hatte Ruben damit begründet, ab und zu auch für längere Zeit Gäste unterbringen zu müssen. »Und dann«, hatte er gesagt, »möchten wir uns nicht gegenseitig auf die Füߟe treten.«
    Glücklicherweise war sie eine Frau, die wenig Fragen stellte. Wäre das anders gewesen, hätte er ihr den Auftrag schon in den ersten Wochen entzogen. Aber sie arbeitete professionell, wusste, worauf es ankam, hatte die Handwerker im Griff und überprüfte deren Leistung gewissenhaft.
    Oben waren die Arbeiten ebenfalls vorangeschritten. Die Strom- und Wasserleitungen waren ausgetauscht, einige Wände eingerissen, andere versetzt worden. Man hatte die alten, mehrfach überstrichenen Türen durch neue ausgetauscht. Das Bad, das in einem desolaten Zustand gewesen war, hatte sich in ein Kunstwerk aus Licht und Farbe verwandelt. Nun mussten nur noch Fenster und Böden aufgearbeitet werden.
    Am ä„uߟeren des Hauses war nichts verändert worden, bis auf das Dach, das neu hatte gedeckt werden müssen, und den Wintergarten, der vorher nicht da gewesen war. Er schloss sich an das Esszimmer an und war nach Rubens Vorstellungen aus Holz und Glas gebaut worden.
    »Nicht schlecht.« Ruben nickte anerkennend und bemerkte, dass die Architektin ihre Freude kaum verbergen konnte.
    Sie war drei, vier Jahre älter als er und aus ܜberzeugung ungebunden, wie sie ihm erzählt hatte. Ihr Beruf war ihr Leben, so hatte sie es ausgedrückt. Sie hatte nie etwas anderes tun wollen. Ruben hatte inzwischen einen Teil ihrer Geschichte erfahren. Er konnte ein guter Zuhörer sein, wenn er wollte. Er war schon immer ein Geschichtensammler gewesen. Und ein Sammler von Gesichtern. Denn hinter jedem Gesicht steckte eine Geschichte. Jede Falte und jede noch so feine Linie in der Haut erzählte von Gefühlen.
    Schon als Kind hatte Ruben das Bedürfnis gehabt, Menschen zu zeichnen. Ihre Geschichten hatte er schon damals erspürt. In den Fällen, in denen das nicht so gewesen war, hatte er sie sich ausgedacht.
    Er sah die Architektin an. Seltsam, dass er keine Lust hatte, sie zu malen. Sie sprach nichts in ihm an. Vielleicht hätte er sie malen können, wie
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