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Der Maedchenmaler

Der Maedchenmaler

Titel: Der Maedchenmaler
Autoren: Monika Feth
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beschlagen. Das war gut so. Es hielt neugierige Blicke ab. Vorsichtig wischte Ruben mit den Fingern über die Windschutzscheibe. Und da sah er sie. Atemlos beugte er sich vor.
    Sie war wunderschön. Selbst auf diese Entfernung konnte man das erkennen. Ihr Gesicht schimmerte hell im Licht der Laterne, das Haar hatte sie (achtlos, das wusste er) unter eine Wollmütze gestopft. Er mochte es lieber, wenn sie es auf die Schultern fallen lieߟ. Sie hatte prächtiges Haar, das es nicht vertrug, gebändigt zu werden.
    Ruben verstand nicht, warum sie ein solches Leben gewählt hatte. Ein kleines, nichts sagendes Spieߟerhaus, umgeben von anderen Spieߟerhäusern. Wie wertlose Glasperlen an einer Schnur zogen sie sich an der Straße entlang, eingebettet in schmale Vorgärten, in denen zurechtgestutzte Sträucher vom kühlen Licht chromfarbener Solarlampen beleuchtet wurden. Was hatte sie verloren in einer Nachbarschaft mit gerafften Tüllgardinen vor den Fenstern? Mit pedantisch aufgereihten Mülltonnen, eine schwarz, eine gelb und eine blau? Wo nichts und niemand aus der Reihe tanzte, nicht mal die gefleckte Katze da, die vor einer der Türen höflich, aber vergeblich um Einlass bat, statt sich woanders ein verständnisvolleres Zuhause zu suchen?
    Sein Handy klingelte. Er sah auf das Display. Die Architektin. Das hatte Zeit. Er wollte jetzt nicht gestört werden. Von niemandem. Er schaltete das Handy aus. Alles, jedes Geräusch war eine Störung, wenn er in dieser Stimmung war, an gestern dachte, an heute und an morgen.
    Ilka holte ihr Rad aus der Garage. Klein und verloren sah sie aus im ersten grauen Licht, das über die Dächer kroch und sich in den kahlen Ąsten der Bäume verfing. Als sie an ihm vorbeiradelte, wandte er den Kopf ab. Sein Herz klopfte zum Zerspringen.
    Er schloss die Augen. Allmählich beruhigte er sich wieder. Er würde ihr nicht nachfahren. Das tat er nie. Er hatte es sich abgewöhnt, seinen Gefühlen nachzugeben. Kühl und beherrscht musste er bleiben, dann würde alles gut werden.
    Eine Weile starrte er weiter das Haus an, in dem sie wohnte. Nummer siebzehn. Ilkas Lieblingszahl. Doch das war natürlich Zufall gewesen. Obwohl sie es vermutlich für eine Fügung des Schicksals gehalten hatte. Sie vertraute gern auf das Schicksal, die Sterne oder höhere Mächte.
    Hinter dem Küchenfenster bewegte sich ein Schatten. Ruben presste die Zähne zusammen. Seine Hände verkrampften sich um das Lenkrad. Nein. Er durfte sich nicht gehen lassen. Es war wichtig, dass er einen klaren Kopf behielt. Seine Gefühle hatten ihm schon so oft einen Streich gespielt. Das durfte nicht noch einmal passieren.
    Ilka. Er würde nur an sie denken. An nichts anderes.
    Ein Lächeln huschte über sein hageres Gesicht. Er schob die Brille zurück, die er zum Autofahren brauchte. Ilka. Er liebte ihren Namen. Und er war froh, dass wenigstens er ihm geblieben war. Alles andere hatte sie ihm genommen, damals, als sie über Nacht verschwunden war und sich in diesem spieߟigen Albtraum verschanzt hatte.
    Was für ein Leben führte sie hier? Falsch war es und verlogen. Ein Leben, das nicht zählte, weil es nicht ihr wirkliches Leben war. Sie konnte unmöglich glücklich sein. Das spielte sie den anderen doch nur vor.
    Merkte jemand, dass sie eine Betrügerin war? Spürte man es, wenn man vor ihr stand und ihr in die Augen blickte? Oder glaubten ihr die Menschen, die sie kannten?
    Alle hatten Ilka stets geglaubt. Immer. Auch er selbst. Nur zum Schluss, da waren die Zweifel übermächtig geworden. Aber er hatte zu spät reagiert und nichts mehr ändern können.
    Er nahm den Schwamm aus dem Ablagefach in der Tür und wischte damit über die Windschutzscheibe. Dann startete er den Motor. Langsam fuhr er los. Bis zur nächsten Ecke ohne Licht. Er würde seinen Fehler korrigieren. Und darauf achten, keinen zweiten zu machen.
     
     
    Ich stopfte die Bücher in den Rucksack und sah mich noch einmal in der Küche um. Alle Geräte ausgeschaltet, Fenster zu, warum also war ich nicht längst drauߟen?
    Irgendwie war ich in diesem Winter wie gelähmt. Es kam mir vor, als wären all meine Bewegungen verlangsamt. Nicht eben wie in Zeitlupe, aber auch nicht weit davon entfernt. Alles strengte mich an. Ich musste aufpassen, dass ich beim Gehen die Füߟe hob und nicht schlurfte.
    Ich hatte verschlafen. Nach dem Aufstehen war mir speiübel gewesen. Und schwindlig. Ich hatte mich beim Duschen an der Wand abgestützt, um nicht
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