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Der Maedchenmaler

Der Maedchenmaler

Titel: Der Maedchenmaler
Autoren: Monika Feth
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auf den Klingelknopf.
    Lara Engler kam selbst an die Tür. Ihr Lächeln wurde vom Auftauchen zahlloser Fältchen an ihren Augenwinkeln begleitet. Sie hängte Ilkas Jacke in einen bunt bemalten Bauernschrank und ging voran in einen Raum, in den durch zwei hohe, schmale Fenster spärliches Januarlicht fiel.
    Ilka sah sich um. Ein helles, voll gestopftes Bücherregal, das bis unter die Decke reichte. Ein schöner, alter Weichholzschrank. Zwischen den beiden Fenstern ein Schreibtisch mit einem blauen Ledersessel davor und einem dahinter. Ein sonnenblumengelber Teppich auf den Holzdielen. Abstrakte Bilder an den Wänden. Und über allem lag der Duft von Lavendel, einem ätherischen l–l, das auch Ilka manchmal benutzte.
    »Bitte setzen Sie sich doch.« Lara Engler zeigte auf den einen der Ledersessel. Sie selbst nahm auf dem anderen Platz.
    Ilka setzte sich und umklammerte den Rucksack auf ihrem Schoߟ. Dass der Schreibtisch zwischen ihnen stand, erleichterte sie. Er gewährte ihr den Abstand, den sie brauchte. Körperliche Nähe machte ihr Angst, erst recht wenn es sich um Fremde handelte.
    »Was kann ich für Sie tun?«, fragte Lara Engler.
    Ilka wunderte sich wieder über den Namen. Das wunderschöne 
Lara
 in Verbindung mit diesem Nachnamen, bei dessen Klang allein ihr schon die Kehle eng wurde. Sie wunderte sich auch darüber, dass eine Person so wenig zu ihrem Namen passen konnte. Lara Engler war groߟ und schwer. Ihr volles schwarzes Haar wurde durch einen exakten, asymmetrischen Kurzhaarschnitt in Form gehalten.
    Sie trug mehrere dünne Holzreifen am rechten Arm, die bei jeder Bewegung klackerten. Ihre langen Fingernägel waren perlmuttfarben lackiert. Ein auffallend groߟer silberner Ring schmückte ihren linken Mittelfinger und um ihren Hals hing eine Kette aus lachsfarbenen Schaumkorallen.
    Ilka kannte Lara Engler nur vom Sehen. Auch aus der Nähe betrachtet, hatte sie so gar nichts von der strahlenden, sanften Julie Christie in 
Doktor Schiwago
.
    »Ich bin nicht freiwillig hier«, antwortete Ilka auf die Frage.
    Lara Engler runzelte die Stirn und zupfte ihr Dekolletee zurecht. Das schwarze Kleid schmiegte sich eng an ihren fülligen Körper. Man sah ein Viertel von ihren Brüsten, die sehr weiߟ waren, als würden sie immer vor Sonne, Licht und Luft versteckt.
    Durfte sie bei ihrem Beruf überhaupt solche Kleider tragen? So überaus körperbetont auftreten? Sollte sie nicht neutral wirken und nach den ersten Worten bei ihren Patienten mehr oder weniger in Vergessenheit geraten, wie die Möbelstücke im Zimmer?
    »Meine Tante besteht darauf, dass ich eine Therapie machen soll«, erklärte Ilka. Es fiel ihr schwer, nicht ständig auf diesen Busen zu starren. Er sah so weich aus, so tröstlich und zuverlässig.
    »Das ist keine gute Grundlage für eine Therapie.« Lara Engler schlang sich einen breiten mohnfarbenen Schal um die Schultern. »Ich kann Ihnen nicht helfen, wenn Sie sich nicht helfen lassen wollen.«
    Ilka bezweifelte, dass eine Therapie ihr überhaupt helfen konnte. Sie bezweifelte noch mehr, dass eine Frau wie Lara Engler dazu imstande wäre. Interessierten sich Frauen, die offenbar so groߟen Wert auf ihr ä„uߟeres legten, nicht in erster Linie für sich selbst?
    Der Schal leuchtete wie eine verfrühte Riesenblüte und schien diesen trüben Tag ein wenig zu erwärmen. Ilka empfand das als wohltuend und schämte sich ihrer Vorurteile. Bei allen Zweifeln hatte sie das Gefühl, Lara Engler jetzt etwas schuldig zu sein. Auߟerdem ging es ihr gegen den Strich, unverrichteter Dinge wieder abzuziehen.
    »Wir könnten es versuchen«, sagte sie.
    »Gut. Versuchen wir es.« Lara Englers Finger spielten mit einer Glaskugel von der Gröߟe einer Pampelmuse, die anscheinend nur zu Dekorationszwecken vorhanden war, nicht zum Wahrsagen. »Dann schlage ich vor, dass wir uns mit Vornamen anreden. Ich mag dieses amerikanische Prinzip und habe festgestellt, dass es die spontane Verständigung enorm erleichtert. Wäre Ihnen das recht?«
    Ilka wusste nicht, was das sein sollte, eine spontane Verständigung, sie empfand sogar ein instinktives Misstrauen gegen diese Wortverbindung, aber sie nickte.
    »Mein Name ist Lara.«
    Ilka lächelte Lara an. Sie hatte Tante Marei versprochen, einen ernsthaften Versuch mit dieser Therapie zu machen, und sie hatte vor, ihr Versprechen zu halten. »Ilka«, sagte sie.
    »Wunderbar, Ilka.« Lara lächelte ebenfalls. »Fangen wir also an.«
     
    Wahrscheinlich hatte
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