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Der Maedchenmaler

Der Maedchenmaler

Titel: Der Maedchenmaler
Autoren: Monika Feth
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der linken Seite. Mit der rechten Hand hielt sie sich am Geländer fest. Sie keuchte und rang nach Luft, aber sie schleppte sich Stufe um Stufe weiter.
    Endlich waren wir ganz oben angelangt. Ich öffnete die Tür.
    »Sein Atelier«, sagte Ilka.
     
    Es war ein einziges Chaos. Sämtliche Bilder lagen zerstört auf dem Boden. Farbe war aus zertretenen Tuben gequollen. Die Wände waren verschmiert. Es stank nach Terpentin.
    Ilka hielt sich die Hand vor den Mund. Sie bebte am ganzen Körper.
    »Da!«
    Ruben hatte nicht nur die Bilder vernichtet. Er hatte etwas viel Entsetzlicheres getan. Er hatte ihr das Gesicht zerschnitten, ihr die Augen ausgestochen, den Mund zerfetzt.
    Was würde er ihr antun, wenn er sie fand?
    Neben ihr stand Jette wie erstarrt. Ihr schienen ähnliche Gedanken durch den Kopf zu gehen. Sie geriet erst wieder in Bewegung, als sie unten die Haustür zufallen hörten.
    Ilka zeigte auf eine der Türen des Einbauschranks und Jette machte sie vorsichtig auf. Da hingen nur zwei weiߟe, mit Farbspritzern übersäte Kittel. Sie schlüpften in den Schrank und zogen die Tür zu.
     
    Bert hatte die Kollegen in Togstadt telefonisch informiert. Sie waren zu Ruben Helmbachs Haus gefahren und hatten sich mit Judith Kranz unterhalten, die mit Büroarbeiten beschäftigt gewesen war. Anfangs hatte sie sich standhaft geweigert, ihnen Rubens zweite Adresse zu geben. Doch dann hatten sie den Audi in der Garage gefunden und ihr Widerstand war in sich zusammengefallen.
    Als Nächstes hatte Bert sich mit den Kollegen des Landkreises Wallstadt in Verbindung gesetzt, wo Ruben Helmbach anscheinend eine Villa besaߟ. Diese Information hatte Bert einen Schock versetzt.
    Judith Kranz hatte in ihrem ersten Gespräch von einem ruhigen Platz zum Arbeiten gesprochen. Eine geniale Untertreibung. Er hätte nachfragen müssen. Und frühzeitig herausfinden können, dass Ruben Helmbach sich in Wirklichkeit in einem neuen Zuhause niedergelassen hatte.

    Bert hatte seinen alten Freund Dieter Kortes angerufen, der eine Flugschule am Rand von Bröhl betrieb und der ihm noch einen Gefallen schuldig war. Wenn er schon Fehler gemacht hatte, wollte er wenigstens alles tun, um das Schlimmste zu verhindern.
     
    Zuerst hatte Ruben drauߟen nach ihnen gesucht. Aber er hatte schnell begriffen, dass sie im Haus geblieben sein mussten. Der Blick reichte weit und nirgendwo hatte er ihre Kleider durch das kahle Gesträuch schimmern sehen.
    Sie spielten Katz und Maus mit ihm.
    Ruben verzog den Mund. Das konnten sie haben. Er würde ihnen zeigen, wer hier die Katze war.
    Er durchsuchte jedes Zimmer. Schaute hinter jeden Vorhang. Sie waren gefangen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er sie finden würde.
    Und während er suchte, wuchs die Wut in ihm. Eine Wut, so groߟ und rot und furchtbar, wie er sie noch nie gefühlt hatte.
     
    Ilkas Stirn war schweiߟnass. Sie bekam kaum Luft und war fast ohnmächtig. Es war stockdunkel. Und totenstill. Wir lauschten angestrengt, doch wir konnten nichts hören.
    Die ganze Zeit redeten wir kein Wort. Wir flüsterten nicht mal. Es war entsetzlich, nicht zu wissen, was drauߟen vor sich ging.
    Vielleicht stand Ruben ja längst vorm Schrank, bloߟ durch die Tür von uns getrennt. Vielleicht weidete er sich an unserer Angst.
    Ilka legte den Kopf an meinen. In ihrem Atem war ein leises Pfeifen. Ich hielt ihr die Hand vor den Mund.
    In diesem Augenblick öffnete sich langsam die Tür.
     
    Sie standen eng aneinander gedrängt und blinzelten ihn an, denn ihre Augen konnten sich nicht so schnell an die Helligkeit gewöhnen. Fast hatte Ruben Lust, ihre Angst zu malen.
    Das Mädchen war die Erste, die sich fing. Sie trat aus dem Schrank und reichte Ilka die Hand. Ilka torkelte. Sie sah aus wie ihr eigenes Gespenst.
    Ruben wusste jetzt, was er tun musste. Er würde das Mädchen beiseite schaffen. Und dann Ilka malen.
    Er würde sie so malen, wie sie jetzt war.
    Zitternd. ä„ngstlich. Fremd.
    Und sich mit diesem letzten Bild befreien.
    Von einer Liebe, die zu groߟ war für diese kleine, enge Welt.
    Er bückte sich nach den Farbtuben, suchte nach seiner Palette, richtete die Staffelei wieder auf. Die Mädchen standen da und schauten ihm mit groߟen Augen zu. Natürlich entging ihm nicht, dass sie sich vorsichtig rückwärts zur Tür bewegten. Er lieߟ sie gewähren. Sie hatten keine Chance. Sie waren die Mäuse. Er würde sie immer und überall aufstöbern.
     
    Er war irrsinnig. Stocherte in den Sachen
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