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Der Liebespakt

Titel: Der Liebespakt
Autoren: Susanne Leinemann
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80er-Jahre-Nerd-Brille auf der Nase. Die Pokermädchen, alles Freundinnen von Toni, saßen feiernd in der ersten Reihe. Georg und sie steckten sich gegenseitig ihre breiten Ringe an - »kein Metall ist widerstandsfähiger«, hatte Georg gesagt - und hüpften danach lachend und sehr verliebt in ihre weiße Strechlimousine, die Teil des Super-Las-Vegas-de-luxe-Hochzeitspakets war. Sie fühlten sich wild, frei und unkonventionell.
    Damals in Las Vegas, da war es nicht mehr nur Verliebtheit gewesen. Da war es schon Liebe. Sie hatte, als sie Georg das Jawort gab, das sichere Gefühl gehabt: Ich bin angekommen. Dieser Mann wird mich durch mein Leben begleiten. Wir werden zueinanderstehen, egal was kommt. Georg gab Toni die Sicherheit und die Erdung, die sie brauchte. Dafür schenkte sie ihm die Höhenflüge.
    Was ist bloß schiefgelaufen, dachte Toni zum hundertsten Mal. Was, was, was?
    Sie steckte den Ring zurück an ihren Finger und schaute aus dem Fenster. Draußen flogen Bäume vorbei, trist verputzte Häuser, nasse Äcker. Berlin kündigte sich mit einem Spalier von
Tankstellen, Schnellrestaurants, Möbelhäusern und Baumärkten an. Es war dunkel geworden, Regen hatte eingesetzt. Vorn im Wagen kam jetzt ein Wispern auf.
    Schau nicht hin, versuchte sich Toni vor neuem Schmerz zu bewahren. Sieh einfach nach draußen. Aber sie konnte nicht anders, im einsetzenden Halbdunkel beobachtete Toni ihren Mann und Karoline, wie sie leise miteinander plauderten. Noch nahmen sie Rücksicht auf ihre und Toms Anwesenheit. Man wahrte körperlichen Abstand. Wahrscheinlich würden sie den Kick wenige Tage später in einem Hotelbett ausleben. Den Kick, nebeneinandergesessen zu haben, während sie ihre an der Nase herumgeführten Partner auf den Rücksitz abgeschoben hatten. Sie waren sicherlich berauscht davon, ihre Liebe erkannt zu haben, ihre Bestimmung füreinander. Doch die dumme Welt mit ihren dummen Konventionen, ihren feierlichen Eheversprechen und Verlobungsringen, ließ diese Liebe nur hinter verschlossenen Türen zu.
    Toni hasste die ihr aufgezwungene Rolle: die fast Exehefrau. Die beiden da vorne, die wirkten so fortschrittlich. Den Ehebrechern gehört die Zukunft. Eine neue Liebe wirkte immer frisch, immer vielversprechend. Die betrogenen Ehepartner, sie sind nichts weiter als hemmende Eisenkugeln, an die die Frischverliebten noch gekettet sind. Die Betrogene - allein ihre Bezeichnung war schon traurig altmodisch. Die Betrogene. Ein Wesen aus der Vergangenheit, mit dem man Mitleid haben musste. Eine Klette, die nicht loslassen konnte. »Sie hatte ihre Chance.« So dachten Frauen wie Karoline. »Jetzt bin ich dran.« Warum ist das Neue immer so verdammt interessant?
    Vorn griff Georg jetzt über Karolines Schoß, um etwas aus dem Handschuhfach zu holen. Toni konnte jede Geste lesen. Sie spürte, es ging den beiden um die kurze Berührung, den Reiz des Verbotenen. Sie musste schlucken. Es schmerzte stechend,
irgendwo zwischen Lunge und Magen. Also schloss Toni die Augen, so wie Tom neben ihr, und tat, als schliefe sie. Sie spürte, wie Karoline sich umdrehte. »Beide schlafen«, hörte sie sie zu Georg sagen, als säßen ihre schlafenden Kinder auf der Rückbank und nicht ihr Verlobter und die Ehefrau ihres Geliebten.
    Es begann zu regnen. Schwere Tropfen knallten gegen die Frontscheibe. Georg bremste an einer roten Ampel. Das laute Fahrgeräusch auf der nassen Straße war verstummt. Nur noch der leise laufende Motor war zu hören und die Regentropfen auf der Windschutzscheibe. Vorn sprach keiner. Toni glaubte zu hören, wie Karoline einen Knopf ihrer Bluse öffnete. Das Rascheln teurer Baumwolle. Konnte man wirklich hören, wie ein Knopf geöffnet wurde? Ich bin überspannt, dachte Toni, ich höre Gespenster. Die Augen hielt sie geschlossen, sie wollte nichts davon sehen, was dort zwischen ihrem Mann und seiner Geliebten vor sich ging, all die Spielchen der Verführung und des Verrats. Gleichzeitig hatte sie das Gefühl, dass die Temperatur im Auto mit jeder Sekunde stieg, ihr wurde unerträglich heiß, so stickig war es. Der Oldtimer hatte keine Klimaanlage. In einem Platzregen wie diesem glich das Klima im Auto schnell dem eines Gewächshauses - es war Toni zuwider, in der Körperwärme dieser beiden dort vorn eingesperrt zu sein. Ihr Atem ging immer kürzer, sie brauchte Luft. Um den Kopf zu kühlen, legte sie ihn an die Seitenscheibe. Aber dann fiel ihr ein, dass der Atem ihrer Nebenbuhlerin dort gerade als Kondenswasser
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