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Der Liebe Gott Macht Blau

Titel: Der Liebe Gott Macht Blau
Autoren: Arto Paasilinna
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nachdrücklich hinzu.
    »Ja, vielleicht«, äußerte Gott zögernd.
    Nachdem er den Vorschlag gründlich bedacht hatte, stimmte er seinen Ratgebern zu. Der Beschluss stand fest, und Gott erklärte:
    »Ich, der müde und rechtmäßige Gott, beauftrage euch: Sucht auf Erden nach einem frommen Menschen, der zu meinem Stellvertreter taugt!«
    Sie beschlossen, die Stelle des amtierenden Gottes öffentlich auszuschreiben. In Kenntnis der menschlichen Natur konnten sie davon ausgehen, dass sich der größte Teil der Menschheit bewerben würde, auf jeden Fall aber alle Deutschen und alle Savolaxer.
    Gott schaute hinauf in die Berge. Zufällig schoss gerade in diesem Moment ein Adler aus den Wolken herab und packte mit seinen Krallen eine kreischende Krähe. Gott erschauerte.
    »Jener Adler hat recht viel vom Menschen«, äußerte er. Dann dachte er an das Opfer, die Krähe.
    »Und auch die Krähe ist nicht gerade ein Glanzstück … Besser wäre, ich hätte sie nicht geschaffen.«

2
    Birger Ryynänen, genannt Pirjeri, war ein vierzigjähriger Kranfahrer. Er verdiente sich seine Brötchen auf einer Baustelle der Firma Haka mitten im Zentrum von Helsinki, in der Kluuvikatu, wo er vierzig Meter über der Straße zwischen Himmel und Erde schwebte. Pirjeri hatte eine akzeptable, leicht stämmige Figur und war brünett. Seine Haare kämmte er sich zur selben Seite wie der liebe Gott. Pirjeri roch werktags nach Schweiß, denn er musste mehrmals am Tag in die luftigen Höhen seiner Kabine hinaufklettern. Er hatte weder Bart noch Schnauzer.
    Pirjeris Hände waren sehnig, und an den Fingern steckte kein Ring, zumindest nicht mehr seit seiner Scheidung.
    Pirjeri trug einen lose sitzenden Overall, auf dem Rücken stand in Großbuchstaben HAKA . Seine Füße steckten in blauen Turnschuhen. Pirjeri benutzte auf der Arbeit kein Parfüm und trank kein Bier, in der Freizeit schon.
    Pirjeri Ryynänen war ein tüchtiger und gebildeter Mensch. Er war auch intelligent und humorvoll, aber kein eigentlicher Witzbold. Nach dem Abitur hatte er begonnen, Staatswissenschaften zu studieren, doch nachdem er eine Studentin der Zahnmedizin geheiratet hatte, hatte er sein Studium abgebrochen und gejobbt, damit sich seine Frau frei von finanziellen Sorgen ihrem Studium zur Pflege dermenschlichen Kauleiste widmen konnte. Er war Verkäufer in einem Alko -Geschäft gewesen und dabei ein recht guter Weinkenner geworden. Später hatte er vorübergehend als Bibliothekar, zweimal während des Winters als Aushilfslehrer in der Grundschule von Kuusamo, danach als Stauer im Helsinkier Osthafen und als Fahrer eines Tanklasters gearbeitet, und mit zunehmender beruflicher Erfahrung war er schließlich Bauarbeiter in der Hauptstadt geworden.
    Neben seinen Gelegenheitsjobs hatte Pirjeri Ryynänen sein Studium der Staatswissenschaften so lange fortgesetzt, bis er den Abschluss des Kandidaten in der Tasche hatte. Das Papier hätte ihn berechtigt, sich in dieser oder jener Behörde zu bewerben, doch die Lauf bahn eines kleinen Beamten interessierte ihn in dieser Phase seines Lebens nicht mehr: Die Beamten leisteten wenig, in den Dienststellen wurde intrigiert, und die Bezahlung war schlecht.
    Die letzten Jahre hatte Pirjeri Ryynänen in luftiger Höhe auf seinem Turmdrehkran gesessen und sowohl die weite Sicht als auch das recht ansehnliche Gehalt genossen. Pirjeri war ein Mann, dem das Leben und die Arbeit kein Kopfweh bereiteten. Er verschwendete schon seit Jahren keinen Gedanken mehr an eine Fortsetzung des Studiums der Staatswissenschaften, auch nicht an eine Lizentiatarbeit oder eine Dissertation. Zwar wäre er in der Lage dazu gewesen, aber es interessierte ihn nicht mehr: Pirjeri hatte eine befriedigende, einsame und ruhige Arbeit hoch über der quirligen Baustelle und der ganzen Stadt gefunden. Er wollte allein arbeiten, ohne dass ihn jemand störte, über den Köpfen der anderen thronen, ohne freilich jemanden zu erniedrigen. Er war ein Mann mit Weitblick.
    Pirjeris Frau Jaana hatte sich bald nach Abschluss ihresStudiums von ihm scheiden lassen, sie hatte ihn auf der gesellschaftlichen Erfolgsleiter überholt. Es war ein Unding, dass die Ehefrau in der Wohnung in Töölö eine einträgliche Zahnarztpraxis betrieb und im selben Haushalt ein geschasster Hilfslehrer lebte, der sich sein Geld als gewöhnlicher Hafenarbeiter verdiente. Das gemeinsame Kind Mirkka wurde bei der Scheidung der Mutter zugesprochen, für den Unterhalt hatte der Vater aufzukommen. Pirjeri
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