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Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4

Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4

Titel: Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4
Autoren: Arthur Conan Doyle
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festgestellt worden.
      »Nichts in all diesen Räumen«, sagte Baynes, der mit einer Kerze in der Hand von Zimmer zu Zimmer schritt. »Aber nun, Mr. Holmes, möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Küche lenken.«
      Die Küche war ein trüber, hoher Raum an der Hinterfront des Hauses mit einer Strohmatte in einer Ecke, offensichtlich die Schlafstelle des Kochs. Auf dem Tisch türmten sich halbvolle Schüsseln und schmutzige Teller – die Überbleibsel des Dinners vom vergangenen Abend.
      »Sehen Sie sich das an«, sagte Baynes. »Wofür halten Sie das?«
      Er hielt seine Kerze hoch und beleuchtete einen außergewöhnlichen Gegenstand, der hinten im Raum auf der Anrichte stand. Er war so runzlig und zusammengeschrumpft und ausgetrocknet, daß es schwerfiel zu bestimmen, was er vorstellte. Man konnte nur sagen, daß er schwarz war und ledern und Ähnlichkeit mit einer zwergenhaften menschlichen Gestalt aufwies. Als ich ihn zuerst untersuchte, dachte ich, es sei ein mumifiziertes Negerbaby, dann wieder kam er mir wie ein verrenkter Affe aus fernen Zeiten vor. Schließlich zweifelte ich überhaupt, ob es sich um ein menschliches oder tierisches Produkt handelte. Um die Figur war eine Doppelreihe weißer Muscheln geschlungen.
      »Sehr interessant – wirklich sehr interessant!« sagte Holmes, während er die unheimliche Reliquie betrachtete. »Sonst noch etwas?«
      Schweigend führte Baynes uns zum Spülstein und leuchtete mit der Kerze. Die Gliedmaßen und der Rumpf eines großen weißen Vogels, der wie in Raserei auseinandergerissen worden war, lagen mitsamt den Federn darin.
      Holmes deutete auf die Kehllappen an dem abgetrennten Kopf. »Ein weißer Hahn«, sagte er. »Sehr interessant! Das ist wirklich ein seltsamer Fall.«
      Aber das düsterste Stück hatte sich Mr. Baynes bis zum Schluß aufgehoben. Er holte unterm Ausguß einen Zinkeimer hervor, der eine große Menge Blut enthielt, und vom Tisch nahm er einen ovalen Servierteller, der mit kleinen Stücken verkohlter Knochen beladen war.
      »Hier ist etwas getötet und verbrannt worden. Dies haben wir aus der Asche zusammengelesen. Heute früh war ein Arzt da. Er sagte, Menschenknochen sind es nicht.«
      Holmes lächelte und rieb sich die Hände.
      »Ich muß Ihnen gratulieren, Inspektor, Sie haben den Fall eindeutig und einleuchtend vorgetragen. Ihre Fähigkeiten scheinen, wenn ich das sagen darf, ohne Sie zu beleidigen, größer zu sein als die Gelegenheiten, sie zu beweisen.«
      Inspektor Baynes’ kleine Augen blinzelten vor Vergnügen. »Sie haben recht, Mr. Holmes. Man kommt nicht voran in der Provinz. Ein Fall wie dieser gibt einem eine Chance, und ich hoffe, ich werde sie ergreifen. Was halten Sie von den Knochen?«
      »Ich würde sagen, ein Lamm oder ein Zicklein.«
      »Und was ist mit dem weißen Hahn?«
      »Seltsame Geschichte, Mr. Baynes, sehr seltsam. Fast einmalig.«
      »Ja, Sir, in diesem Haus müssen sehr eigenartige Leute mit sehr eigenartigen Manieren gewohnt haben. Einer von ihnen ist tot. Sind seine Kumpane ihm gefolgt und haben ihn umgebracht? Wenn dem so ist, werden wir sie verhaften, denn jeder Hafen wird überwacht. Aber ich denke da anders. Ja, Sir, ich denke da ganz anders.«
      »Sie haben also eine Theorie?«
      »Ja, und ich werde sie für mich behalten und nach ihr vorgehen. Schließlich geht es um meine Anerkennung. Sie haben sich schon einen Namen gemacht, ich muß mir noch einen machen. Und ich wäre froh, wenn ich am Ende sagen könnte, ich hätte den Fall ohne Ihre Hilfe gelöst.«
      Holmes lachte gutgelaunt.
      »Nun denn, Inspektor«, sagte er, »gehen Sie Ihren Weg, ich gehe den meinen. Meine Ergebnisse stehen Ihnen immer zur Verfügung, wenn Sie darauf zurückkommen möchten. Ich denke, ich habe alles in diesem Haus gesehen, was ich sehen wollte, und ich kann meine Zeit anderswo nutzbringender verwenden. Au revoir und viel Glück, Inspektor.«
      An vielen kleinen Anzeichen, die jeder andere als ich wahrscheinlich übersehen hätte, merkte ich, daß sich Holmes auf einer heißen Spur befand. Dem zufälligen Beobachter mußte er unempfindlich wie immer vorkommen, doch dessenungeachtet überzeugten mich ein unterdrückter Eifer und die Andeutung von Spannung in seinen jetzt helleren Augen und seine lebhaftere Art, sich zu geben, davon, daß die Jagd unmittelbar bevor stand. Nach seiner Gewohnheit sagte er nichts, und ich, nach der meinen, stellte keine Fragen. Mir
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