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Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)

Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)

Titel: Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)
Autoren: Dagmar Trodler
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auf Gunnarsstaðir jedoch ein ungleicher Kampf. Der Durchlauferhitzer verweigerte stoisch seinen Dienst, soviel sie auch an den Knöpfen drehte, und sie musste Wasser auf dem Herd erwärmen. Vielleicht hing das Gerät auch nur zur Zierde da. Ärgerlich sah sie den Wasserbehälter an. »Das ist echt wie im Mittelalter hier«, murrte sie vor sich hin, während sie Küchenschränke auf und zu klappte auf der Suche nach Spülmittel und einer Bürste. Irgendwo kläffte der Hund. Sie sah aus dem Fenster. Die Sonne strahlte vom Himmel, wie um sich Mühe zu geben, den Neuankömmling zu überzeugen, dass es hier nicht gar so übel war.
    »Pah!«, machte Lies und runzelte die Stirn. Das, was sie draußen sah, wirkte wie aus Stein. Steinerne Berge mit Falten aus weißem Eis. Steinerner Boden, Grashalme, die zu Stein gefroren waren und sich auch Windstößen nicht mehr beugen konnten. Lies legte die Hand auf die Fensterscheibe. Die Kälte drang bis in ihre Knochen. Thermopane war hier ein Fremdwort, dafür gab es wenigstens eine zweite Scheibe vor der Scheibe. Trotzdem fühlte sie, wie eisig es draußen war. Rasch steckte sie ihre Hand unter die Achsel. Das Schaf mit den Rastalocken hoppelte über die Straße und weg vom Haus. Wo es wohl hinlief? Ob es noch mehr von ihnen gab? Sie seufzte. Mehr Menschen jedenfalls schien es nicht zu geben auf Gunnarsstaðir. Über die Anzahl an Mitbewohnern hatte man in der Arbeitsagentur nicht gesprochen. Leider.
    Elías blieb verschwunden, den ganzen Vormittag lang, während Lies sich durch verkrustete Töpfe und schimmelnde Speisereste schrubbte, dicke, stinkende Beläge von Fettgebackenem vom Porzellan schabte, vergammelte Brei überreste in einem Topf sammelte und hart gewordene Kartoffel von Gabeln kratzte. Dabei knurrte ihr Magen, denn die Scheibe Brot war ja für den hohlen Zahn gewesen. Aber sie fand auch nichts in der Küche, was sie zum Essen reizte. Lebte Elías tatsächlich nur von Brot und diesem kalten Fleisch?? Der Schrank war gähnend leer, nicht mal eine Salzstange oder Knäckebrot befand sich da drin – nur eine Packung Brühwürfel unbekannten Alters. Höhnisch tickte die alte Uhr über ihr an der Wand – siehste – siehste – siehste .
    Im Kühlschrank fand sie allerhand Dinge: ein altes Portemonnaie, Handwaschpaste. Einen angeschnittenen Käse mit grünlichem Pelz. Ein Stück Salzfisch. Einen auftauenden Fleischberg. Ein Schälchen mit Schrauben und einen Seitenschneider. Der Kühlschrank auf Gunnarsstaðir schien ein seltsamer Ort zu sein, schnell warf sie die Tür wieder zu.
    Aus lauter Verzweiflung nahm sie dann doch ein Stück Fleisch aus der Schale, mit spitzen Fingern, man wusste ja nicht mal, wie alt das Zeug war... und hätte fast auch »siehste« gesagt, weil es einfach entsetzlich schmeckte. Elías Böðvarsson hatte offenbar eine Vorliebe für Salz.
    Entnervt schluckte sie diesen und auch den nächsten fiesen Fleischbrocken hinunter, spülte mit Kaffee nach und goss, vorerst gesättigt, einen weiteren Kessel heißes Wasser in die Spüle. Immer noch Töpfe und Teller. Zu essen gab es nichts, aber Geschirr besaß Elías für eine ganze Armee. Sie tauchte die Arme in die allmählich immer fettiger werdende Brühe, denn aus der Spülmittelflasche waren nur noch wenige Tropfen gekommen, und man durfte sich allen Ernstes fragen, wie eigentlich Nachschub diesen Hof erreichte. Wo sie schon mal dabei war, kratzte sie auch gleich den fettigen Belag von den Kacheln und wunderte sich, dass rote Farbe zum Vorschein kam. Kein rotes Haus, aber rote Küchenkacheln – immerhin. Vielleicht fanden sich ja noch mehr heimliche Schönheiten in dieser Einsamkeit...

2. Kapitel
     
    »Na, da hat Elías dir ja gleich den richtigen Job gegeben«, brummte jemand hinter ihr. Sie fuhr ob der deutschen Worte herum. » Hæ .«
    Ein Mann war unbemerkt in den Türrahmen getreten. Groß und breitschultrig, nachtschwarzes, vom Wind verwirbeltes Haar und unergründlich dunkelblaue Augen. Eine Sonnenbrille klebte kess auf seiner Stirn, obwohl es hier doch gar keine Sonne gab. Er streifte seine Schuhe vor dem Kücheneingang ab und schob sie mit dem Fuß beiseite, ohne den Blick von ihr zu lassen.
    »Du kommst aus Deutschland, hab ich gehört«, sprach er gleich weiter. »Ich hab in Deutschland studiert, weißt du. In Heidelberg.« Jetzt schaute er fast stolz drein. Sein isländischer Akzent war dezent, die Stimme tief und angenehm. Interessiert sah er sie an. Lies machte das zwar verlegen, sie
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