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Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)

Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)

Titel: Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)
Autoren: Dagmar Trodler
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alt, wenn sie überhaupt jemals Parfüm benutzt hatte. Dieses Fläschchen war noch älter und roch sehr intensiv. Tosca passte so gar nicht in diese wilde Einsamkeit. Sie fragte sich, wie dieses Parfum wohl hierhergekommen sein mochte …
    Mit den eingeräumten Kleidern im Schrank und ein paar Büchern auf dem leeren Regal wirkte das Zimmer gleich freundlicher. Lies beschloss, sich nicht weiter zu beklagen. Die Klospülung funktionierte einigermaßen, Wasser gab es zwar nur kalt aus der Leitung, dafür reichlich, im Gegensatz zu manchem griechischen Landhotel, und gegen Kälte hatte sie noch zwei filzige Wolldecken im Schrank gefunden. Die muffige Bettwäsche würde man sicher waschen können. Sooo schlimm hatte sie es hier auf Gunnarsstaðir also nicht getroffen, und mit dem knurrigen Alten würde sie schon fertig werden.
    Müde von dem anstrengenden Tag schlief sie ein.
     
    Am anderen Morgen saß Elías mit der Kaffeetasse am Tisch, genau so, wie sie ihn gestern Abend verlassen hatte. War er überhaupt im Bett gewesen? Er aß ein mit Marmelade bestrichenes Brot und griff zwischendurch in eine Schale, in der sich auseinandergerissene kalte Kochfleischstücke türmten. Das Fleisch aß er mit den Fingern. Vor ihm aufgeschlagen lag eine Tageszeitung, die er grimmig studierte.
    Lies war froh, dass er ihr einen Kaffeebecher herüberschob und mit dem Kinn auf das Essen deutete. ›Gastfreundlich sind sie wirklich alle‹, hatte Silke erzählt. Naja, vielleicht war die Gastfreundschaft dieses Mannes hier ein bisschen eingerostet. Lies beschloss, erst mal nichts krummzunehmen und abzuwarten. Sie nahm von dem Brot und schmierte dick Marmelade darauf, weil es sich hart anfühlte und sie großen Hunger hatte. Der permanente Heizölgestank schlug ihr auf den Magen. War dieser Ofen undicht? Man bekam ja eine Vergiftung, wenn das immer so war... Schweigend aßen sie, ohne einander anzuschauen, genauso wie gestern Abend. Elías zog die Zuckerdose herüber und schaufelte Zucker in seine Tasse. Dem fünften folgte ein sechster Löffel, dann goss er Kaffee aus der Thermoskanne über den Zucker, und Lies wurde schlecht vom Zugucken. Lange hörte man nichts anderes als das Klirren des Löffels am Tassenrand.
    Der Essensgeruch mischte sich mit dem Heizöl in der Luft. Da kein Fenster offen war, konnte die Mischung auch nicht abziehen. Ob hier überhaupt je ein Fenster geöffnet wurde? Zweifelnd sah sie den altertümlichen Fenstergriff an, der vielleicht bei dem Versuch zerfallen würde. Draußen tanzten wieder einzelne Schneeflocken an der Scheibe vorbei. Ein Schaf blökte eintönig. Elías zog fröstelnd die Schultern zusammen und rieb sich den Arm. Die Hand auf dem verfilzten Strickpullover war groß und kräftig, dicke Adern hoben sich über der erstaunlich glatten Haut ab, als wollten sie demonstrieren, dass diese Hand schon viel im Leben angepackt hatte. Jetzt hing sie nur müde über dem Ärmel.
    Lies fühlte sich genauso unbehaglich wie gestern Abend, aller Mut war verschwunden. Der schwarze Kaffee brannte auf der Zunge. Er war widerlich stark. Milch gab es keine. Sie schob sich einen letzten Brotkrümel in den Mund – welcher Teufel hatte sie geritten, hierherzuwollen, war das wirklich besser als Packbiers tägliches Genörgel, Aktenasthma und Spätabendfrust mit Dornfelder, Schokoriegeln und Schnulzenfernsehen? Aktenasthma.
    Ihr fiel etwas ein. Seit sie auf dieser kalten Insel war, hatte sie keinmal husten müssen.
    Elías faltete seine Zeitung sehr sorgfältig zusammen, strich die Kanten glatt und legte sie auf die Bank neben sich. Dann stand er auf. Mit einer Hand deutete er auf die Spüle, wo sich fein säuberlich gestapelt der Abwasch von Wochen türmte, wie sie bereits gestern Abend festgestellt hatte. Sie erinnerte sich, dass sie für Haus und Hof angestellt worden war – was immer das hieß. Niemand hatte ihr erklärt, was das genau bedeutete. Aber das hier war der Anfang – also spülen. Spülen war einfach, überschaubar, und es gab wenig Fehlerquellen – es gab nur schmutzig und sauber. Erholsam eindimensional. Lies krempelte sich die Ärmel hoch. Was war ein Spülberg gegen einen Aktenberg voller nicht zu klärender Fragen? Schmutz konnte man wegwischen – auf Fragen gab es selten zufriedenstellende Antworten und meist noch mehr Fragen und am Ende Ärger. Nee – das hier sah aus, als würde es nach ihrem Geschmack werden.
    Die Haustür klapperte, und der Hausherr verschwand.
     
    Spülen ist zwar einfach –
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