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Der letzte Drache

Der letzte Drache

Titel: Der letzte Drache
Autoren: Marcus Schneider
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eigentlich?"
    "Einst war das hier ihr Land. Sie waren die Könige der Welt. Und noch heute höre ich den Wind ihre Namen flüstern. Doch die Welt vergisst sie. Ihre Zeit ist vorüber und ihre Geschichten erzählt niemand mehr."
    "Gibt es denn heute gar keine Drachen mehr?"
    "Sie haben einen Fehler gemacht, sie haben sich nicht an das Gesetz gehalten. Sie sind dem Bösen unterlegen. Er hätte das damals nicht tun dürfen. Ihm wurde abgeraten. Er war gewarnt. Aber er wusste ja wieder einmal alles besser. Und so musste es dann kommen. Nun gibt es kein Zurück mehr.
    Doch genug davon. Baldur. Du bist nun 18 Jahre alt.”
    Der alte Mann erhob sich. Er ging zu einem der Regale. Dabei stützte er sich auf einen Stab, der über und über mit einer schwarzen Schicht bedeckt war, die deutlich an Ruß erinnerte und doch auf seltsame Weise gerade und glatt gearbeitet war.
    “Sag mal, diese ganzen Drachengeschichten, womit fing das eigentlich an?”, hakte Baldur nach.
    “Das war schon immer meine Leidenschaft, oder besser, die unserer Familie”, begann er zögerlich und nicht ohne am Knauf seines Stockes herumzuspielen.
    “Mein Vater, dein Urgroßvater, hat mir all diese Geschichten erzählt. Auch er trug schon das Amulett. Ja, das war immer bei uns. Ob er es wiederum von seinem Vater hatte? Ich erinnere mich nicht. Er hat nicht viel gesprochen, dein Urgroßvater. Und wenn, dann von Drachen.”
    Die abgestandene Luft in dem Arbeitszimmer und der weiche Sessel machten Baldur müde. Er hatte immer geglaubt, diese Drachengeschichten seien nur ein Spleen seines Opas.
    “Dein Vater glaubte die Geschichten anfangs nicht, aber neugierig war er auch. Er hatte sich nicht im Griff. Er war zu neugierig.”
    Irgendetwas war zwischen Baldurs Vater und Großvater geschehen, aber immer wenn sich das Gespräch diesem Thema näherte, schlug der Greis einen für sein Alter erstaunlich eleganten Bogen.
    “Hier ist es. Baldur, ich möchte dir ein Geschenk machen. Nein, eigentlich möchte ich dir zwei Dinge schenken.” Ein lächeln huschte durch sein altes Gesicht. Der Besuch nahm eine überraschende und angenehme Wendung. So sehr Baldur seinen Großvater liebte und so gern er dessen Drachengeschichten hörte, Geschenke gab es eher selten. Nicht nur das große Haus und das Personal, das er unterhielt, deuteten darauf hin, dass er finanziell einiges richtig gemacht hatte. Aber er wusste auch sein Geld zusammenzuhalten.
    “Kind”, Baldur hasste es, wenn er immer noch so genannt wurde.
    ”Kind, ich freue mich immer wenn du vorbeikommst. Es lässt sich ja sonst niemand aus der Sippe hier sehen. Jedenfalls, es ist an der Zeit, dass ich dir das hier gebe.” Seine runzligen, steifen Finger fummelten an einer Schatulle in dem Regal herum und brachten nach einigen Minuten einen walnussgroßen, weißen Anhänger an einem starken Lederriemen zum Vorschein. Baldur hatte das noch nie gesehen.
    “Großvater, was ist das?”
    Er machte eine wegwerfende Handbewegung und drückte es Baldur in die Hand.
    “Pass gut darauf auf. So wie wir alle darauf aufgepasst haben.”
    “Ja, sicher, aber was ist das?”
    “Es wird sich dir offenbaren, wenn die Zeit gekommen ist. Danke, dass du mich besucht hast, mein Junge”.
    Baldur kannte seinen Großvater, der Besuch war beendet. Er stand auf, deutete eine leichte Verneigung an, denn er wusste, wie sehr seinem Opa klassisch gutes Benehmen gefiel und begab sich in Richtung Tür.
    “Und wegen des anderen Geschenks, darum kümmert sich Irina”, hörte er seinen Großvater noch sagen, als er schon die Tür schloss. Stimmt, er hatte von zwei Geschenken gesprochen.
    Vor der Tür stand Irina. Nanu, sie hatte doch wohl nicht gelauscht? Instinktiv schlossen sich seine Finger in der Tasche um den Anhänger.
    “Herr Baldur, ich soll ihnen diesen Schlüssel geben.” Seit er 16 geworden war hatte Irina angefangen, ihn Herrn Baldur zu nennen und zu siezen. Daran hatte er sich noch immer nicht gewöhnt. Aber auch als er noch kleiner war, war sie distanziert gewesen. Sie umgab stets eine Aura des Geheimnisvollen. Er wusste auch nicht genau wo und unter welchen Umständen sie seinen Großvater kennengelernt hatte. Er hatte sie von einer seiner Reisen mitgebracht und seitdem organisierte sie das Haus. Und das war bitter nötig gewesen. Die ganze Familie war erleichtert gewesen, als durch Irinas straffes Regiment wieder Ordnung einzog.
    Sie hielt ihm einen Schlüssel hin. Das war ein Autoschlüssel. Baldurs Herz schlug
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