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Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote
Autoren: Michael Connelly
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Lust zu verreisen, okay? Mein Job ist es, Morde aufzuklären. Das ist meine Arbeit. Und die möchte ich gern wieder aufnehmen. Schließlich könnte ich da Gutes tun.«
    »Wenn Sie die Polizeibehörde läßt.«
    »Wenn Sie mich lassen. Sie wissen, daß es von Ihnen abhängt.«
    »Vielleicht. Merken Sie, daß Sie von Ihrer Arbeit sprechen, als wäre es eine Mission?«
    »So ungefähr. Wie die Suche nach dem Heiligen Gral.«
    Sein Ton war sarkastisch. Die Sitzung wurde allmählich unerträglich, und es war erst die erste.
    »Stimmt das? Glauben Sie, Sie seien dazu berufen, Morde aufzuklären und schlechte Menschen hinter Gitter zu bringen?«
    Er zuckte wieder mit den Schultern, um auszudrücken, daß er es nicht wisse. Er stand auf und ging zum Fenster und schaute auf die Hill Street hinunter. Auf den Bürgersteigen wimmelte es von Menschen. In der Menge von asiatischen Gesichtern entdeckte er ein paar weiße Frauen, die wie Rosinen im Reis hervorstachen. Sie gingen an einer chinesischen Metzgerei vorbei, in deren Fenster geräucherte Enten an den Hälsen aufgehakt waren.
    Weiter oben auf der Straße sah er die Überführung des Hollywood Freeways, die dunklen Fenster des alten Sheriff-Gefängnisses und dahinter das Gebäude des Kriminalgerichts. Links davon konnte er den Turm des Rathauses sehen. Schwarze Plastikplanen hingen vor den obersten Etagen. Es sah aus wie eine Trauerbinde. Er wußte jedoch, daß die Planen verhindern sollten, daß während der Reparaturen an den Erdbebenschäden Schutt herunterfiel. Er schaute am Rathaus vorbei und konnte das Glashaus ausmachen: Parker Center, das Polizeipräsidium.
    »Sagen Sie mir, was Ihre Mission ist«, sagte Hinojos mit ruhiger Stimme hinter ihm. »Ich möchte es gern in Ihren eigenen Worten hören.«
    Er setzte sich wieder hin und suchte nach einer Möglichkeit, es zu erklären. Schließlich schüttelte er jedoch den Kopf.
    »Ich kann nicht.«
    »Ich möchte, daß Sie darüber nachdenken. Über Ihre Mission. Worin besteht sie eigentlich? Denken Sie darüber nach.«
    »Was ist Ihre Mission, Doktor?«
    »Das ist hier nicht von Interesse.«
    »Das finde ich aber doch.«
    »Hören Sie zu, Detective. Das ist die einzige persönliche Frage, die ich beantworten werde. In diesen Gesprächen geht es nicht um mich. Es geht um Sie. Meine Mission besteht darin, den Männern und Frauen bei der Polizei zu helfen. So sehe ich es. Auf diese Rolle konzentriere ich mich. Und indem ich das tue, helfe ich der Gesellschaft, den Menschen in dieser Stadt. Je besser die Polizisten in dieser Stadt sind, desto besser geht es uns allen. Desto sicherer sind wir. Okay?«
    »Hört sich gut an. Wenn ich über meine Mission nachdenke, soll ich es dann auch in ein paar Sätzen zusammenfassen und einstudieren, bis es sich so anhört, als läse ich aus einem Lexikon vor?«
    »Mr … eh, Detective Bosch. Wenn Sie sich über alles lustig machen und sich ständig quer stellen, kommen wir nicht weiter. Und das heißt, daß Sie in naher Zukunft nicht wieder arbeiten werden. Wollen Sie das?«
    Er hob die Arme, wie um sich zu ergeben. Sie sah auf ihren gelben Block. Jetzt, da sie ihre Augen von ihm abgewandt hatte, konnte er sie betrachten. Carmen Hinojos hatte winzige Hände, die vor ihr auf dem Schreibtisch ruhten. An beiden Händen keine Ringe. In der rechten Hand hielt sie einen teuer aussehenden Kugelschreiber. Bosch hatte immer geglaubt, daß so etwas von Leuten benutzt wurde, die allzusehr auf ihr Image achteten. Aber vielleicht irrte er sich bei ihr. Ihr dunkelbraunes Haar war hinten zusammengebunden, und sie trug eine Brille mit einem dünnen Schildpattgestell. Sie hätte als Kind eine Zahnklammer tragen sollen. Sie sah von ihrem Block auf, und ihre Blicke trafen sich.
    »Mir wurde gesagt, dieser Vor… diese Auseinandersetzung fiel in die Zeit, in der eine Zweierbeziehung gelöst wurde.«
    »Wer hat das gesagt?«
    »Das steht in den Unterlagen zu Ihrer Person, die ich bekommen habe. Die Quellen sind nicht relevant.«
    »Sie sind sehr wohl relevant, weil sie schlecht sind. Es hatte nichts mit dem zu tun, was passiert ist. Es ist schon fast drei Monate her, daß sie gelöst wurde. «
    »Der Trennungsschmerz kann viel länger dau ern. Mir ist bewußt, wie persönlich das ist und daß es eventuell schwierig für Sie ist. Aber ich glaube, wir sollten darüber reden. Und zwar, weil es mir hilft, Ihre Gefühlslage zum Zeitpunkt der Körperverletzung einzuschätzen. Ist das ein Problem für Sie?«
    Bosch
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