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Der letzte Coyote

Der letzte Coyote

Titel: Der letzte Coyote
Autoren: Michael Connelly
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nicht.«
    »Warum?«
    »Meinen Sie, warum mich das Schicksal einer Nutte berührte? Es hat mich nicht berührt. Nicht mehr als das irgendeines anderen Opfers. Bei Mord habe ich jedoch eine Regel, was die Fälle angeht, die ich bekomme.«
    »Wie lautet Ihre Regel?«
    »Jeder zählt, oder niemand zählt.«
    »Erklären Sie mir das.«
    »Wie ich gesagt habe. Jeder zählt, oder niemand zählt. Das ist alles. Es bedeutet, daß ich mich voll ins Zeug lege, ob es eine Prostituierte ist oder die Frau des Bürgermeisters. Das ist meine Regel.«
    »Ich verstehe. Lassen Sie uns jetzt über diesen spezifischen Fall sprechen. Ich würde gern von Ihnen hören, was nach der Verhaftung passiert ist und welche Gründe Sie wohl für Ihr gewalttätiges Handeln auf dem Hollywood-Revier hatten.«
    »Wird dies auf Band aufgenommen?«
    »Nein, Detective, was Sie mir sagen ist vertraulich. Am Ende der Sitzungen werde ich nur eine Empfehlung für Assistant Chief Irving schreiben. Die Details unserer Gespräche wird nie jemand erfahren. Meine Empfehlungen sind gewöhnlich nicht einmal eine halbe Seite lang und enthalten keinerlei Einzelheiten.«
    »Mit der halben Seite üben Sie viel Macht aus.«
    Sie erwiderte nichts. Bosch überlegte einen Moment, während er sie ansah. Er glaubte, daß er ihr vertrauen könne, aber sein Instinkt und seine Erfahrung sagten ihm, daß er niemandem trauen sollte. Sie schien sein Dilemma zu kennen und wartete ab.
    »Sie möchten meine Version hören?«
    »Ja, das möchte ich.«
    »Okay, ich werde Ihnen erzählen, was passiert ist.«

2
    B osch rauchte auf dem Nachhauseweg. Allerdings hätte er noch lieber einen Drink gehabt, um seine Nerven zu betäuben. Er sah auf die Uhr und entschied, daß es zu früh war, um bei einer Bar Zwischenstation zu machen. Also begnügte er sich mit einer weiteren Zigarette und fuhr heim.
    Nachdem er sich durch die Kurven des Woodrow Wilson Drives nach oben gewunden hatte, parkte er einen halben Block von seinem Haus am Straßenrand und ging zurück. Leise Klaviermusik kam aus einem der Nachbarhäuser – irgend etwas Klassisches –, aber er konnte nicht feststellen, aus welchem. Er kannte seine Nachbarn nicht besonders gut und wußte nicht, in welcher Familie es einen Klavierspieler gab. Er schlüpfte unter dem gelben Plastikband vor seinem Grundstück hindurch und trat durch die Seitentür vom überdachten Parkplatz aus ein.
    Er hatte es sich angewöhnt, weiter unten auf der Straße zu parken, damit man nicht merkte, daß er in seinem eigenen Haus wohnte. Das Haus war nach dem Erdbeben für unbewohnbar erklärt und später von der Bauaufsicht auf die Abrißliste gesetzt worden. Bosch hatte jedoch beide Verfügungen ignoriert und die Plombe am Stromkasten geknackt. Inzwischen lebte er seit drei Monaten wieder hier.
    Es war ein kleines, mit Redwood verkleidetes Haus, das auf Stahlpfeilern stand. Sie waren in das Grundgestein getrieben, das sich während des Mesozoikums und Känozoikums gebildet und aufgefaltet hatte, als sich die Santa Monica Mountains aus der Wüste erhoben. Die Stahlpfeiler hatten dem Erdbeben in ihren Verankerungen standgehalten, das darüberliegende Haus hatte sich jedoch verschoben und sich teilweise von den Pfeilern und den Erdbebenbolzen losgerissen. Es war gerutscht. Ganze fünf Zentimeter. Aber das reichte aus. Die Distanz war minimal, der Schaden jedoch groß. Die Holzrahmenkonstruktion des Hauses hatte sich verzogen, und Fenster und Türen waren nicht mehr rechteckig. Das Glas war zersprungen, und die Vordertür ließ sich nicht mehr öffnen, festgeklemmt in einem Rahmen, der sich mit dem gesamten Haus nach Norden geneigt hatte. Um die Tür aufzubrechen, hätte Bosch wahrscheinlich einen Polizeipanzer mit Rammbock ausleihen müssen. Also hatte er nur die Seitentür mit der Brechstange geöffnet. Diese Tür diente jetzt als Haupteingang zu seinem Heim.
    Bosch hatte einem Unternehmen fünftausend Dollar gezahlt, damit sie das Haus anhoben und die fünf Zentimeter wieder zurückschoben. Danach war es mit Bolzen wieder an den Stahlpfeilern verankert worden. Je nachdem wie er Zeit fand, hatte Bosch begonnen, neue Fenster- und Türrahmen selbst einzusetzen. Die Glasarbeiten hatte er als erstes in Angriff genommen. Danach hatte er die Innentüren neu gerahmt und eingehängt. Für die Arbeiten konsultierte er Bücher, und gewisse Reparaturen mußte er drei- oder viermal machen, bis das Resultat einigermaßen passabel war. Aber die Arbeit machte ihm Spaß und
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