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Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation

Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation

Titel: Der letzte Code - ein Roman über die Geschichte der Zivilisation
Autoren: Gerd Schneider
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Moki.
    Tamas ist erneut in seine Gedanken versunken. Das hat schon vor Jahren seine Lehrer zur Verzweiflung gebracht, wenn er einfach wegtrat, in eine Starre verfiel, nicht mehr ansprechbar war. „Ich muss nachdenken“, hat er dann immer als Entschuldigung vorgebracht.
    „Vielleicht gibt es ein Paralleluniversum. Oder wir sind Teile einer Computersimulation. Sie spielt uns vor, wir hätten ein normales Leben. In Wirklichkeit sind alles nur elektrische Signale.“
    „Ich glaube, du hast zu viele Filme gesehen“, unterbricht ihn Moki.
    „Sorry, wenn ich mich einmische …“ Lotta hat ihren Stuhl umgedreht und sitzt jetzt praktisch mit an ihrem Tisch. Unter ihrer Kapuze blitzen Tamas blaue Augen aus einem schmalen Gesicht an. „ Vielleicht ist was dran an dem, was du sagst, Tamas. Die Welt existiert nur als virtuelle Realität im Computer. Das meinst du doch, oder?“
    „Das ist Tamas“, stellt Moki vor.
    „Ich weiß. Wir sind uns mal in einer Vorlesung begegnet.“
    „Ihr kennt euch?“
    „Das wäre zu viel gesagt.“
    Tamas sieht sie an.
    „Kann mich nicht erinnern“, sagt er. Leute, die er nicht kennt, machen ihn unruhig.
    „Jetzt hast du ihn verschreckt, Lotta“, sagt Moki.
    „Bist du mein Scheiß-Therapeut oder was?“, Tamas ist sauer.
    Bevor Moki antwortet, hebt Lotta eine Flasche Bier hoch.
    „Ist das echt?“, fragt sie.
    Moki sieht sie verständnislos an.
    „Was für ’ne Frage? Spinnst du jetzt. Klar ist das echt. Gib her, schmeckt lecker!“
    „Lass sie doch“, sagt Tamas.
    „Das hier oder das? Was ist echter?“
    Lotta zeigt auf ein Werbeposter hinter ihnen an der Wand, auf dem ebenfalls eine Flasche Bier zu sehen ist.
    „Und was soll das jetzt?“, fragt Moki.
    „Ich mache gerade ein Seminar über Manipulation in der Werbung.“
    „Jedenfalls ist es Blödsinn“, sagt Moki, „das da echt zu nennen. Es ist nur ein Foto.“
    „Falsch“, widerspricht Tamas. „Es ist genauso echt wie das Glas auf dem Tisch.“
    „Genau, denn es ist ein realistisches Abbild der Wirklichkeit“, bestätigt Lotta. „Wenn du es ansiehst, schmeckst du was.“
    „Ich schmecke lieber das hier!“ Damit nimmt Moki einen tiefen Schluck aus seiner Flasche.
    „Wäre aber nicht schlecht, wenn man das Bier auf dem Bild auch schmecken könnte, oder?“, sagt Lotta.
    „Die Grenzen zwischen echt und unecht verschwinden. Die Menschheit verändert sich in ihrer Wahrnehmung. Das ist meine Meinung. Vorstellung und Wirklichkeit werden immer ähnlicher“, sagt Tamas.
    „Ja, das denke ich auch“, sagt Lotta. „Und deine Frage war doch: Das echte Leben, wo ist es? Bald kann keiner mehr unterscheiden, was real ist und was virtuell.“
    Am Nebentisch kracht ein Stuhl um, lautes Lachen, Geschrei, Gläser werden gehoben.
    „Lotta, wo bleibst du? Komm, wir wollen weiter“, drängen ihre Freunde.
    „Bleib doch noch“, bittet Moki.
    Tamas nickt, sagt aber nichts. Das bringt er nicht fertig.
    „Geht nicht, wir gehen feiern. Amelie hat Geburtstag. Wir gehen noch ins N7. Komm doch mit!“, sagt sie und steht auf.
    Tamas zuckt zusammen: „Nö, lass mal …“
    Sie geht. Er blickt ihr nach.
    „Ich glaube, ich geh dann auch mal.“
    „Hey Mann, du Spaßbremse. Lass uns wenigstens noch eine Runde Billard spielen“, schlägt Moki vor. Tamas willigt ein.
    Was willst du eigentlich machen?
    Im Wohnzimmer ist es still, als Tamas gegen zehn nach Hause kommt und die Treppe hinunter in seinen Keller geht. Der Kater schläft im Schein der Bildschirmschoner. Gleich wird er sich aufmachen zu einem nächtlichen Streifzug. Er blinzelt kurz, als Tamas das Licht anmacht. Der ist müde, beschließt, ins Bett zu gehen. Die ganze letzte Nacht hat er an dem Trailer für die „Feuerreiter“ gearbeitet und die Musik eingespielt.
    Ob ich noch mal die Mails checke? Vielleicht sind noch positive Meinungen da. Er will das Mailprogramm starten, als es an der Tür klopft. Bestimmt Carola, die ihm eine Pizza bringt. Doch es ist Walter. Sein Vater ist im Hausmantel.
    „Guten Abend, Tamas.“
    „’n Abend.“
    Tamas ist überrascht: Walter lässt sich fast nie hier unten blicken. Eigentlich ist er froh, dass ihn seine Eltern hier normalerweise in Ruhe lassen.
    „Ich wollte dir nur sagen, dass ich einen Termin für uns bei der Simo gemacht habe.“
    „Wie?“
    Tamas ist schockiert. In der Maschinenbaufirma Simo ist sein Vater Betriebsleiter. Vor zwei Jahren, nach dem Abi, hatte Walter schon mal davon gesprochen, seinem Sohn einen
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