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Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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mir
gegenüber gezeigt, mir eine Chance gegeben, an mich geglaubt. Nachdem Sie
sagten, dass heute der Mörder mit einem Pub-Quiz überführt würde, bekam ich
Angst. Ich wollte Sie zur Rede stellen, Ihnen meine Sicht darlegen, Sie
überzeugen, die Sache ruhen zu lassen. Nur im absoluten Notfall hätte ich abgedrückt.
    Â»Man bekommt Übung im Morden. Es wird immer leichter, sagt man.«
    Colin erhob sich. Die Menge wich zurück. Jetzt war er kein
Aushilfsprofessor mehr. Sondern ein Monster. Und niemand wusste, wozu Monster
fähig waren.
    Bietigheim wusste immerhin, dass dieses Monster sprechen konnte. Und
er wollte unbedingt weiter hören, was es zu sagen hatte. »Wollen Sie gehen?«
    Â»Ich …«
    Â»Wollen Sie auf mich losgehen?«
    Â»Nein … ich … Darf ich stehen? Ich möchte nicht mehr sitzen. In mir ist
so viel Unruhe, ich muss mich bewegen.«
    Bietigheim nickte. »Der Mord an Jonathan Cleesewood. Hat Michael
Ihnen den gestanden?«
    Â»Ja, das hat er. In allen Details. Ich wusste, dass er die Wahrheit
sagte. Cleesewood war der Experte, der zur Untersuchung des Tees im
Punting-Boot gebeten worden war, und er hatte sofort erkannt, dass der White
Darjeeling auffallend sorgfältig zubereitet worden war. Außerdem wusste er,
dass Michael, der ja im Institut arbeitete, ihm kurz zuvor noch vom Kauf eines
teuren Weißtees erzählt hatte. Er bat ihn zu einem Gespräch. Allerdings glaubte
er Michael nicht, dass er nur Tims Leiche ins Boot gelegt hätte, sondern
forderte von ihm, sich zu stellen. Michael bat ihn, zuerst seinen Eltern alles
gestehen und auch sonst alles ordnen zu dürfen. Cleesewood gewährte ihm diese Zeit,
drei Tage, danach wollten sie sich wieder im Institut treffen und gemeinsam die
Polizei anrufen. Verständlicherweise wollte Michael nicht für einen Mord ins
Gefängnis, den er nicht begangen hatte. Deshalb beschloss er, Cleesewood
umzubringen. Er wusste, dass Cleesewood immer sechs Schalen eines Tees trank.
Also musste er, genau wie Sie es eben dargelegt haben, bei ihrem Treffen im
Institut das Gift nur in die sechste Schale geben – und selbst nach der fünften
aufhören. Cleesewood leerte die Schale ohne Zögern. Dann verließ Michael den
Raum und schloss die Tür ab, um seinem Opfer nicht beim Todeskampf zusehen zu
müssen. Vorher hatte er dafür gesorgt, dass kein Telefon und kein Handy in
Cleesewoods Büro waren. Danach legte er die Leiche trotz des großen Risikos
ebenfalls in Tee ein.«
    Â»Aber warum war der Tee dann so schlampig aufgebrüht?«
    Â»Michael hasste Cleesewood. Beim Earl war das Einlegen in Tee
Ehrerbietung, bei seinem Nachfolger ging es nur darum, die Spur auf einen irren
Serienkiller zu legen. Könnte ich noch ein Ale haben?«
    Â»Nein«, sagte Bietigheim. »Es reicht. Wir alle sind müde. Pit, rufen
Sie bitte die Polizei.« Er stand auf. Dann drehte er sich noch einmal zum
geständigen Doppelmörder um. »Es fehlt uns noch der genaue Tatablauf für den
Mord an Michael.«
    Colin packte die Lehne des Stuhls und stützte sich darauf. »Sie
haben richtig vermutet, ich habe noch einen Schlüssel aus meiner Zeit bei den
Bell Ringers. Michael, sagte ich, wir müssten an einem Platz reden, wo wir
hundertprozentig allein sind. Oben angekommen bedrohte ich ihn mit einem Messer
und ließ ihn seinen Abschiedsbrief schreiben, schlug ihn dann nieder und warf
ihn über das Geländer. Er war noch warm und atmete, als ich ihn über die hohe
Absperrung hievte. Es ist eine Sache, einen Menschen im Affekt zu erschlagen,
aber jemanden lebend von dieser Höhe hinunterzuwerfen, das ist fürchterlich.«
    Â»Sie haben es trotzdem getan.«
    Colins Finger verkrampften sich. »Ja, ich habe es trotzdem getan.«
    Â»Es macht ein Verbrechen nicht besser, wenn man ein zweites dafür
begeht. Hätten Sie die erste Tat gemeldet und Ihre Version geschildert, Sie
hätten nicht Ihr ganzes Leben hinter Gitter gemusst.« Die Uhr schlug
Mitternacht. »Und jetzt will ich nach Hause. Diese Mordfälle sind gelöst. Pit,
erledigen Sie den Rest. Und könnten Sie, Rena, mir morgen früh bitte ein
schönes Frühstück organisieren?« Er zog sein Sakko gerade. »Aber bitte, bitte
ohne Tee!«

EPILOG

    Full English Breakfast
    Frühstück an Deck der »God Save The Queen«, mit einer frisch
gestopften Pfeife im
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