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Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Mundwinkel. Sollte so nicht jeder Tag beginnen? Bietigheim
sah auf seine Taschenuhr, es war elf. Herrlich! Der Professor sah sich als
Nichtraucher mit der Option, ab und an zu rauchen. So wie es auch Vegetarier
gab, die manchmal Fisch aßen. Warum sollte er dem Rauchen auch völlig entsagen?
    Benno hatte sich am Bug wie eine Schnecke zusammengerollt und ließ
sich die Sonne auf den Pelz brennen, Charles schwamm um das Schiff und
verscheuchte alles, was sich auf zehn Meter näherte: andere Schwäne, Enten,
Ruderboote.
    Der Professor hatte keine Kosten und Mühen gescheut und sich ein
Full English Breakfast kommen lassen. Allerdings mit Kaffee. Gleich stand die
Pressekonferenz im Polizeipräsidium an, am Nachmittag dann der Umzug in sein
angestammtes Domizil. Rena bereitete schon alles vor. Er hoffte darauf, dass
Töler dort sein würde, damit er ihn höchstpersönlich vor die Tür setzen konnte.
Der Emporkömmling hatte sich krankgemeldet, nachdem der Master ihm mitgeteilt
hatte, das kulinarische Institut gehe wieder an Bietigheim.
    Nun gut, Töler hatte gestern Nacht eine nicht unwichtige Rolle bei
der Ergreifung des Mörders gespielt. Aber auch keine besonders wichtige. Er
würde ihm im Gegenzug wohl anbieten, eine Vorlesung halten zu dürfen.
Unentgeltlich. Früh am Morgen. Und nicht über Minze. Aber immerhin! Töler war
nicht so gnädig gewesen. Er war ein Mistelzweig. Wenn auch ein ziemlich
gerupfter.
    Â»Dürfen wir uns zu Ihnen setzen?« Es war Pit. Arm in Arm mit Diana.
    Â»Es ist Ihr Boot. Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause.«
    Â»Oha, englische
Höflichkeit«, sagte Pit. »When in Rome, do as the Romans do.«
    Â»Aus Ihnen wird doch noch ein anständiger Mensch!«
    Pit setzte sich auf das Deck und streckte die Beine aus, Diana legte
ihren Kopf in seinen Schoß und blickte zu Bietigheim. »Ich habe mich noch gar
nicht bei Ihnen bedankt, Professor. Es tröstet mich zu wissen, dass mein Vater
sich nicht das Leben genommen hat. Und dass der Schuldige nun vor Gericht
kommt.«
    Â»Keine Ursache. Ich habe es als Teil meines Forschungsauftrags
gesehen.«
    Â»Wie sind Sie eigentlich auf die Lösung des Falls gekommen?«, fragte
Pit und drehte zärtlich eine von Dianas feinen Haarsträhnen um seinen
Zeigefinger. »Das haben Sie noch gar nicht verraten.«
    Â»Nun«, Bietigheim zögerte, entschloss sich dann jedoch mit der
Wahrheit herauszurücken. »Es war der Tag an dem ich mir mehrfach den Kopf in
diesem stolzen Schiff stieß. Zum Schluss landete ich auf dem Boden und blickte
auf eine Kopie von Michaels Abschiedsbrief und das Plakat eines Rockkonzerts
auf einer irischen Insel, die ich beide heruntergerissen hatte. Und da wusste
ich es mit einem Mal. Michael hatte mir den Mörder verraten.«
    Â»Was? Wieso? Ich hab den Abschiedsbrief auch gelesen – und zwar mehr
als einmal. Da steht nix drin über den wahren Mörder.«
    Ein zufriedenes Lächeln breitete sich in Bietigheims Gesicht aus. »Oh,
doch! Michael schrieb: › Ich habe zwei Menschen auf dem
Gewissen und halte es nicht mehr aus mit mir selbst. Ich bin keine friedliche
Insel mehr. ‹ Schon damals fand ich, dass dies eine merkwürdige
Formulierung ist, und viel zu poetisch für Michael. Bis ich begriff, wie
raffiniert er damit auf seinen Mörder hinwies. Es gibt nämlich einen Ort in
Irland namens Inniskeen, offiziell als Inishkeen bekannt – was nichts anderes
bedeutet als friedliche Insel. Michael, der aus Irland stammt, wusste das.
Colin Inniskeen, ein waschechter Engländer, dagegen nicht. Deshalb entging es
ihm auch. Und bei mir brauchte es erst einige Schläge auf die Schädeldecke,
bevor ich mich daran erinnerte. Was nicht heißt, dass ich gedenke, diese
Methode fortan häufiger anzuwenden.« Pit zog theatralisch eine Schnute, hatte
er doch schon neckisch die Faust erhoben, um Bietigheim zu weiteren
Geistesblitzen zu verhelfen. »Darf ich Ihnen beiden etwas von meinem Frühstück
anbieten? Es ist genug da.«
    Diana schüttelte den Kopf und zwickte Pit in die Seite. »Was ist
eigentlich mit meinen Sandwiches?«
    Â»Ach ja!« Pit verschwand im Bootsinneren und kehrte kurze Zeit
später mit einem Teller zurück, auf dem klassische Sandwiches lagen. Jeweils
zwei Scheiben ungeröstetes Weizentoastbrot, ohne Rinde, diagonal zu Dreiecken
geschnitten. Vorsichtig stellte Pit sie neben Diana.
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