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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier
Autoren: Horst Bosetzky
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hoffte, es würde sich etwas davon auf ihn übertragen. Er brauchte neue Kraft und wollte vergessen, daß er Adela in den Armen hielt, die Tochter des Müllers, und nicht Agnes, seine Gattin. Er war zwanzig Jahre alt gewesen, sie knappe vierzehn, als er sie geheiratet hatte, eine Tochter Annas von Österreich, der Herzogin von Schlesien-Breslau.
    Agnes, das war seine brennende Begierde, seine verzehrende Glut, sein großes Glück, aber auch sein ganzes Elend. Als er sie zehn Jahre zuvor in Arneburg im Schlosse ihrer Mutter zum ersten Mal gesehen hatte, hatte es ihn gepackt wie ein schweres Fieber, wie ein Wahn. Ein Kind war sie noch, und eigentlich war ihm Mechthild, die ältere Schwester, zugedacht, doch seit Agnes sein Feuer entfacht hatte, gab es für ihn nur noch eins: sie besitzen oder sterben. Seine Liebe wurde von ihr flugs erwidert, denn Fürsten und Ritter seiner Art gab es nur wenige, und er erlöste sie vom öden Leben in Arneburg, das zwischen Rathenow und Stendal an der Elbe lag. Mit großen Festen lockte er sie, wie beispielsweise dem, das König Erich von Dänemark seit langem schon in Rostock plante. In der ersten Maiwoche des Jahres 1309 hatten sie im nahen Tangermünde Verlobung gefeiert, natürlich im Mai, denn er war ein überaus romantischer, ein schwärmerischer Mensch und hielt die alten Minneregeln in Ehren. Als Schwiegersohn war er Agnes' Mutter überaus willkommen, doch sie hatte gegen diese Verbindung auch erhebliche Bedenken.
    »Du weißt, daß du mit meiner Tochter sehr eng verwandt bist – und zwar in verbotenem Grade …« Da sowohl Waldemar als auch Anna und desgleichen ihr Mann, Markgraf Hermann, Nachkommen des Markgrafen Albrecht II. und seiner Frau Mathilde waren, bestand zwischen Waldemar und Agnes eine Seitenverwandtschaft dritten beziehungsweise vierten Grades. Waldemars Großvater und Agnes' Urgroßvater waren Brüder gewesen.
    »Ich schreibe dem Papst«, erwiderte Waldemar. »Der wird uns seinen Segen erteilen.«
    Am 9. November 1309 kam dann auch prompt der Dispens von Clemens V. aus Avignon:
    Weil Wir nun in dieser Angelegenheit Euer Heil mit väterlichem Wohlwollen wahrnehmen wollen, sind Wir Euern Bitten geneigt, und damit die Verwandtschaft Euch nicht hindernd entgegenstehe, und Ihr in besagter Ehe bleiben könnt, dispensieren Wir Euch aus besonderer Gnade in apostolischer Autorität, und ernennen die in dieser Ehe von Euch erzeugten oder zu erzeugenden Kinder als legitim aus apostolischer Machtvollkommenheit.
    »Warum aber hat mir Agnes bis jetzt keinen Nachkommen geschenkt?« fragte Waldemar, und diese Frage war mehr an den Himmel als an Adela gerichtet. Acht Jahre währte nun seine Ehe mit Agnes, und wie viele Hunderte Male hatte er ihr beigewohnt.
    »Es hat nicht sein sollen«, sagte Adela.
    Waldemar wandte sich ab von ihr und starrte an die Decke. »Früher habe ich am Ende meiner Urkunden immer schreiben lassen: So Gott uns einen Erben schenkt … Ich sollte es lassen.«
    Adela sah ihn voller Sorge an. »Und das drückt dich so sehr nieder …?«
    »Ja. Wie der umgestürzte Baumstamm das Gebüsch vor eurer Tür. Was nützt es, daß ich mein Land nach oben bringe, für Frieden sorge und seinen Wohlstand mehre, wenn ich keinen Erben habe? Sterbe ich, dann zerreißen die selbsternannten Erben mein Land wie die Hunde den Hasen.«
    »Du bist noch jung.«
    »Nein, ein Fluch liegt auf mir. Eine unfruchtbare Ehe ist eine Strafe Gottes. Mag der Papst auch seinen Segen geben: Es ist Blutschande, was ich da mit Agnes treibe, und der Herr straft mich hart dafür. Hat ein Mann keinen Sohn, so ist es, als lebte er nicht.«
    Adela streichelte ihn zärtlich. »Versuch es mit mir.«
    Er schob ihre Hand zur Seite und sprang aus dem Bett. »Das ändert nichts. Ich brauche die Vergebung meines Herrn.«
    »Der Propst von Bernau ist dein enger Freund, auch der Bischof von Havelberg …«
    »Ich muß mehr tun als mit den Pfaffen reden und den Klöstern Geschenke machen, ich muß büßen, ich muß mich schinden und quälen, ich muß leiden wie Jesus Christus auf dem Weg nach Golgatha.«
    Adela sah ihn mit dem Kreuz auf dem Rücken und der Dornenkrone auf dem Kopf im Heiligen Land, und sie erschrak über das irre Feuer, das in seinen Augen leuchtete.
    »Du bist der Markgraf von Brandenburg«, sagte sie, ihn zu beruhigen.
    »Ja, und der Fluch, der auf mir liegt, bringt dem Land nur Unglück. Denk an die ewige Kälte und Nässe, den dauernden Regen, seit ich regiere, und die Hungersnot.
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