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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier
Autoren: Horst Bosetzky
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über schwelenden Feuern geröstet, oder man schnitt ihnen den Nabel aus, nagelte ihn an einen Baum und ließ sie unter Peitschenhieben so lange um den Baum herumlaufen, bis ihnen die Gedärme aus dem Leib herausgewunden waren.
    »Hör auf!« rief Heinrich von Roddach, als ihm Meinhard davon berichtete.
    »Mein eigener Landesherr und alter Freund ist bei einer Litauerfahrt dabeigewesen«, fuhr Meinhard fort. »Ludwig der Ältere im Jahre 1336. Wobei sein Vater, Kaiser Ludwig, den Deutschen Orden danach mit Litauen belehnt hat.«
    »Gedymin dürfte schallend gelacht haben darüber.« Dann, als sie an einem Flüßchen zur Rast vom Pferd stiegen, fiel ihm etwas anderes ein. »Hab ich dir in Ragnit eigentlich die Geschichte von Berthold erzählt, Berthold von Brühaven, österreichischer Ritter, Komtur von Balga und dann beim deutschen Ritterorden erster Mann in Ragnit und später auch in Königsberg. Kennst du ihn?«
    »Nein.«
    »Weil er Gottes Stimme gehört hat, ist er in den Orden eingetreten. Armut und Gehorsam, das schien allen Glaubensbrüdern leichtzufallen, aber mit der Keuschheit, da hatten sie ihre Schwierigkeiten. Also wollte er als leuchtendes Vorbild in die Geschichte eingehen: Er ließ sich zu diesem Zwecke die schönste Jungfrau des ganzen Landes kommen und lag ein Jahr lang Nacht für Nacht nackt neben der Nackten, ohne sie auch nur einmal anzurühren oder ein Zeichen fleischlicher Lust erkennen zu lassen.«
    »Nun hör aber auf!« rief Meinhard, den das Verlangen nach Leah plagte.
    Sie holten den Proviant hervor und machten sich ans Essen. Die Pferde weideten hinter ihnen auf der Lichtung. Die Sonne war von einer solchen Kraft, daß sie ihn an Jerusalem erinnerte.
    »Über tausenddreihundert Jahre ist es nun schon her, daß sie den Heiland ans Kreuz geschlagen haben«, sagte Meinhard. »Eine unfaßbar lange Zeit.«
    »Und noch immer gibt es Menschen, die keine Christen sind«, fügte Heinrich von Roddach hinzu.
    »Es wäre einfacher, der Herr hätte sie gleich alle als Christen gemacht«, fand Meinhard.
    »Sei mal still!« Heinrich von Roddach hob den Kopf und lauschte. »Waren das nicht Pferde und Stimmen – irgendwo da hinterm Hügel?«
    »In Ragnit haben sie gesagt, daß es bald zur Schlacht kommen könnte.«
    Heinrich von Roddach sah ein wenig ratlos aus. »Was machen wir? Wenn wir in den Kampf verwickelt werden, steht es schlecht für Karls Pläne.«
    Meinhard teilte seine Besorgnis und nahm es mit Humor: »Zwischen zwei Mühlsteinen zerrieben zu werden, ist immer eine schöne Sache: Man braucht nicht mehr viel Platz im Grab.«
    »Ich meine es ernst!« rief Heinrich von Roddach.
    »Ich auch. Aber die Antwort ist klar: Wir müssen uns ganz klein machen und hoffen, daß man uns übersieht.«
    »Du meinst, wir sollen uns hier verstecken und nicht von der Stelle rühren?«
    »Genau das meine ich.«
    »Aber die Pferde?«
    Weiter kamen sie nicht mit ihren Überlegungen, denn am anderen Ufer des Flüßchens war plötzlich ein Mann aufgetaucht, dessen Aufmachung sie in Erstaunen versetzte. Er trug zwar den weißen Ordensrittermantel, darunter aber war das graue Leinenkleid eines Bauern zu erkennen, und statt des Schwertes hielt er einen kräftigen Knüppel in der Hand. Da er sich umschaute wie ein gehetztes Tier, war unschwer zu erkennen, daß er sich auf der Flucht befand. Und jagen konnten ihn nur die deutschen Ritter. Schon hörten sie das Geschrei der nahenden Meute.
    Heinrich von Roddach wollte seinen Augen nicht trauen. »Das ist doch Witen!«
    »Wer?« fragte Meinhard von Attenweiler.
    »Der Sohn von Jaunutis. Ich kenne ihn aus Ragnit.« Heinrich von Roddach rief etwas in litauischer Sprache über den Fluß, und der junge Litauer, der sich sehr wohl an den böhmischen Ritter erinnern konnte, watete erleichtert durch das kaum mehr als knietiefe Wasser.
    »Ich hätte mich bis Kaunas durchschlagen können, wenn mich nicht ein Trupp der Ordensritter aufgespürt hätte«, erzählte Witen, nachdem sie sich begrüßt hatten. »Sie haben meinen Begleiter erschlagen, Vitjanis, und sind nun hinter mir her. Was wollen sie von uns? Hier gibt es nichts für sie zu holen. Im Winter erfrieren und verhungern sie, aber sie lassen sich nicht abschrecken und kommen immer wieder.«
    Heinrich von Roddach erklärte ihm, daß sie im Auftrage König Karls nach Vilnius reisten und den Ordensrittern nicht unbedingt begegnen wollten. »Am besten, du setzt dich zu mir aufs Pferd, und wir versuchen dann, den Ordensrittern zu
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