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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier
Autoren: Horst Bosetzky
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entkommen.«
    Meinhard, der eher ans Verkriechen dachte, war von diesem Plan nicht sehr begeistert, wurde aber überstimmt.
    »Dann soll Witen wenigstens zu mir aufs Pferd.« Er war der bessere Reiter und hatte auch das kräftigere Pferd.
    »Nun gut.«
    Sie ritten los, und das Geschrei der Verfolger verstummte allmählich. Meinhard befragte Witen über sein Land. Der kam gleich auf den Großfürsten Gedyminas zu sprechen, der vor elf Jahren verstorben war.
    »… mein Großvater. Ihm habt ihr alle sehr viel zu verdanken, ganz Europa, denn er hat die Hunnen von euch ferngehalten, die Goldene Horde. Auch seine Söhne müßt ihr kennen: Algirdas, den ihr Olgerd nennt, Kiastutis und Jaunutis, meinen Vater, den die beiden anderen aber entmachtet haben. Es ist immer Krieg bei uns: Der Deutsche Orden will unser Land, der Livländische Orden will unser Land, die Tataren wollen unser Land, und die Fürsten von Moskau wollen unser Land.«
    Meinhard und Heinrich von Roddach sahen es als Glücksfall an, Witen getroffen zu haben, denn damit war ihnen ein guter Zugang zum litauischen Hof sicher. Doch sie kamen kaum dazu, sich dieses Umstands zu erfreuen. Wie aus dem Nichts tauchten die Ordensritter vor ihnen auf, die sie weit hinter sich vermutet hatten.
    »Halt!« rief der Anführer der Truppe. »Wer seid ihr?«
    »Freunde Ludwigs des Brandenburgers, die gekommen sind, mit euch die Heiden zu bekehren.«
    »Ihr lügt! Wir wissen über euch Bescheid: König Karl schickt euch, um mit Olgerd zu verhandeln. Und vor Euch auf dem Pferd sitzt Witen, der unser Gefangener ist.«
    »War …«, korrigierte Meinhard ihn.
    »Folgt uns ohne Widerworte, sonst …« Das erhobene Schwert des Ordensritters ließ keinen Zweifel, was er damit meinte.
    Meinhard sandte einen fragenden Blick zu Heinrich von Roddach hinüber: Kapitulation oder Flucht?
    Der machte eine Kopfbewegung in Richtung Wald.
    »Dann los!« schrie Meinhard ihm zu. »Halt mir den Rücken frei.«
    Er nutzte den Überraschungsmoment und drängte die Ordensritter ab, die neben ihm ritten. Mit dem Schwert hieb er sich den Weg frei. Heinrich von Roddach war knapp hinter ihm, doch ihn schlugen sie vom Pferd. Meinhard schaute sich um, sah aber schnell, daß jede Hilfe zu spät kam. Heinrich von Roddach lag vom Schwert gefällt am Boden. Da blieb nur die wilde Flucht, immer am Ufer des Flüßchens entlang. Doch da sein Pferd die doppelte Last tragen mußte, schmolz sein Vorsprung von Sekunde zu Sekunde.
    »Es hat keinen Sinn«, rief Witen, der sich wie ein Tatar am Hals des Tieres festklammerte. »Laß das Pferd laufen, wir verschwinden im Dickicht. Ich kenne mich hier aus, und sie nicht.«
    Meinhard sah ein, daß er recht hatte, obwohl es ihm um seinen Rappenhengst schmerzlich leid tat. Er zügelte den Galopp.
    »Dort beim Gebüsch springen wir ab!« schrie er Witen ins Ohr. Sie warfen sich ins Gebüsch, rappelten sich auf und waren schon im Unterholz verschwunden, ehe die Ordensritter ihre Pferde herumgerissen hatten. Im wilden Dickicht konnten sie mit den Pferden nichts ausrichten, und bevor sie Kriegsrat gehalten hatten, waren Meinhard und der junge Litauer schon ein gutes Stück entfernt.
    »Wie weit … bis zum nächsten Dorf?« keuchte Meinhard.
    »Im nächsten Dorf werden die Ordensritter auf uns lauern.«
    »Und bis zum übernächsten?«
    »Ich muß eins finden, wo wir sicher sind – und das kann dauern.«
    So streiften sie fast eine Woche lang durch die Wälder und ernährten sich von Wurzeln, Pilzen, Würmern und Beeren. Am Abend des fünften Tages aber fand Witen einen litauischen Bauern, den er kannte. Frau und Magd tischten alles auf, was sie in der Kammer hatten: Brot, Käse und Speck. Und obwohl das Wasser aus dem nahen Bach den Wein ersetzen mußte, fand Meinhard dieses Mahl unvergleichlich köstlicher als Ludwigs Hochzeitsschmaus in Krakau.
    »Ach, ja …«, seufzte Meinhard und mußte an Heinrich von Roddach und dessen trauriges Schicksal denken. »Wenn ich den nicht getroffen hätte, würde ich jetzt nicht hier sitzen und zweifeln, ob es Vilnius wirklich gibt.«
    »Wir kommen schon hin«, lachte Witen und fragte den Bauern, ob sich irgendwo zwei Pferde auftreiben ließen.
    »Ohne Geld?«
    »Das, was mein Onkel an Lösegeld für mich gespart hat, wird er sicher für zwei Gäule übrig haben.«
    »Ich werde mein Bestes tun, edler Herr.«
    »Das will ich dir auch geraten haben.« Witen schnitt sich einen dicken Streifen Speck ab und kam noch einmal auf Ludwig den
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