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Der Letzte Askanier

Der Letzte Askanier

Titel: Der Letzte Askanier
Autoren: Horst Bosetzky
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Meine Schuld ist sie, meine! Die Teuerung, an der die Menschen leiden wie an der Pest. Mein Krieg gegen Dänemark mit vielen tausend Toten. Meine Schuld! Es gibt nur eine Erlösung für mich: die Wallfahrt. Ich muß als Pilger nach Jerusalem.«
    Adela sprang nun ebenfalls aus dem Bett, umarmte ihn und wollte ihn festhalten für alle Ewigkeiten. »Nein! Das wäre dein Ende! Bleib bei mir!«
    So standen sie eine Weile eng umschlungen. Und obwohl Adela ihn umfing und wärmte, fühlte er sich verloren wie ein Schiffbrüchiger auf einer einsamen Felseninsel. Alles war vergeblich, alles war verloren. Wie beneidete er Jakob Rehbock, den Müller, der da draußen auf dem Hof Waldemars Rappen sattelte, um auszureiten. Er durfte es, obwohl er ein nicht eben guter Reiter war. Für Waldemar war dieser Müller der freieste Mensch auf Erden und damit der glücklichste. Auf ihm ruhte kein Fluch, und er war nicht verdammt dazu, die Lasten eines ganzen Landes zu tragen. Gott liebte solche Männer, wie Rehbock einer war.
    »Gehen wir ein wenig in den Wald, Beeren pflücken«, sagte Adela. »Die Mutter ist schon da, wir könnten ihr helfen.«
    Waldemar ließ sie los und zog sich an. »Ja, vielleicht heilt mich das.«
    Katharina Rehbock nahm das Leben, wie es eben kam. Menschen waren ebensolche Kreaturen wie die Vögel in der Luft, die Hasen auf dem Feld oder die Säue im Wald. Sie waren glücklich, wenn sie etwas zu beißen hatten, beieinanderhocken konnten und nicht getötet und gefressen wurden. Wie die Meisen nach Käfern pickten, so bückte sie sich, um Blaubeeren zu pflücken. Es war mühsam, und vielleicht hatte es Adela einmal besser, wenn der Markgraf sie als Magd in seine Dienste nahm. Aber Waldemar … In Bärwalde und den umliegenden Dörfern wurde viel geredet über ihren Markgrafen. Daß er ein wenig närrisch sei und vieles mache, was sich eher für einen Gaukler schicke als für einen Fürsten.
    Sie schreckte hoch, weil sie das Trappeln und Schnaufen eines Pferdes hörte. Im Dickicht krachten Äste. Jemand schrie. Sie erkannte die Stimme: Das konnte niemand anders sein als Jakob, ihr Mann.
    Katharina Rehbock sprang auf und lief zur Schneise, die zum neuen Dorf hinführte. Hatte sich ihr Mann wieder den Rappen des Markgrafen ausgeborgt? In der Tat! Und das Roß war prompt mit Jakob Rehbock durchgegangen.
    »Halt!« schrie er. »Brrr! Du schwarzer Teufel, du!«
    Katharina Rehbock sah das Unglück kommen und sprang noch hinzu, um die Zügel zu fassen. Doch zu spät. Die Äste der Eiche am Rande der Lichtung streiften Jakob Rehbock vom Pferd, das Tier geriet in die Schweinssuhle unterm Baum, stürzte kopfüber in den Morast und trampelte in Todesangst und wie von Sinnen auf Rehbock herum.
    Katharina Rehbock schaffte es nicht, den Unglücklichen unter dem Pferd hervorzuziehen. In wilder Panik lief sie los, um Hilfe zu holen. So traf sie auf Waldemar und ihre Tochter, die sich auf den Weg gemacht hatten, sie zu suchen. Als sie hörten, was geschehen war, stürzten sie zu der Stelle, wo der Müller lag.
    Der kriegserfahrene Waldemar sah sofort, daß Adelas Vater nicht mehr zu helfen war. Während Frau und Tochter noch verzweifelt an ihm zerrten, stand er wie abwesend daneben.
    Wie ein Blitz in einen Baum, so schlug die Wahnsinnsidee in seinen Kopf ein, als er den Müller unter dem Pferd liegen sah, bis zur Unkenntlichkeit von den Hufen zertrampelt: Tausche mit ihm!
    Dies löste alle seine Probleme. Der Müller hatte etwa seine Statur, und sein Gesicht war nur noch ein unkenntlicher blutiger Klumpen. Wenn die Choriner Mönche im festen Glauben, dies sei ihr Markgraf Waldemar, die Leiche würdig herrichteten, dann war die Täuschung perfekt. Und wenn man dem Toten die markgräfliche Kluft anlegte, mußte es gelingen.
    Es gab nun kein Besinnen mehr, denn eigentlich war alles längst vom Schicksal entschieden, vom Herrn so gewollt. Seinem göttlichen Willen entsprang dieses Geschehen hier, der Tod des Müllers in dieser Stunde und auf eine Weise, die für dieses Spiel wie geschaffen war.
    Feierlich trat er nun auf die beiden Frauen zu. »Hört: Er kommt in meine Gruft, ich in seine Kleider. Als Müller Jakob Rehbock werde ich aufbrechen als Pilger nach Jerusalem.«
    Als Adela den Sinn seiner Wort erfaßt hatte, fiel sie vor ihm zu Boden und umfaßte seine Knie. »Waldemar, bitte, nein!«
    Er ließ sich nicht beirren. »Dies ist ein Befehl eures Landesherrn! Und ihr werdet es nicht bereuen!«

 

    KAPITEL 19
    1355 – Dessau
    A m
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