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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten
Autoren: Katherine Pancol
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Mailbox, die sich mit einem klar artikulierten »Giambelli« meldete, und hinterließ eine Nachricht. Heute Abend würden sie sich nicht mehr sehen.
    Und vielleicht war das auch besser so. Jedes Mal, wenn sie an diesen fürchterlichen Streit mit ihrer Schwester zurückdachte, spürte sie, wie Verzweiflung sie ergriff und alle Kraft aus ihr wich. Sie hatte zu nichts mehr Lust. Höchstens noch, sich draußen auf den Bürgersteig zu setzen und die Passanten, die wildfremden Menschen auf der Straße zu beobachten. Muss man denn unweigerlich leiden, sobald man jemanden liebt? Ist das der Preis, den man dafür zu zahlen hat? Sie wusste nur, wie man liebt. Sie wusste nicht, wie sie andere dazu brachte, sie zu lieben. Das waren zwei völlig verschiedene Dinge.
    »Trinken Sie Ihre Cola nicht, Madame?«, fragte der Kellner und klopfte mit dem Tablett gegen seinem Oberschenkel. »Schmeckt sie Ihnen nicht? Kein guter Jahrgang? Soll ich Ihnen eine neue bringen?«
    Joséphine lächelte schwach und schüttelte den Kopf.
    Sie beschloss, nicht länger zu warten. Sie würde nach Hause gehen und mit Zoé zu Abend essen. Bevor sie gegangen war, hatte sie ihr ein kaltes Abendessen auf den Küchentisch gestellt. Hühnchen, einen Salat aus grünen Bohnen, einen Fruchtzwerg und dazu einen Zettel: »Ich gehe mit Luca ins Kino, bin gegen zehn Uhr wieder zurück. Ich komme noch einmal in dein Zimmer und gebe dir einen Gutenachtkuss, ehe du einschläfst. Ich liebe dich, meine Schöne, mein Liebling. Maman.« Sie ließ sie abends nicht gern allein, aber Luca hatte darauf bestanden, sie zu sehen. »Ich muss mit Ihnen reden, Joséphine, es ist wichtig.« Ja, das waren seine Worte gewesen, sie hatte es völlig vergessen.
    Sie rief zu Hause an und sagte Zoé, dass sie doch zum Abendessen zurück sein würde, dann winkte sie den Kellner heran und bat um die Rechnung.
    »Die liegt doch schon unter dem Tellerchen, Madame. Sie scheinen heute wirklich nicht in Form zu sein.«
    Sie ließ ein großzügiges Trinkgeld auf dem Tisch liegen und ging hinaus.
    »He! Sie haben Ihr Paket vergessen!«
    Sie drehte sich um und sah, wie er Antoines Paket schwenkte. Sie hatte es auf dem Stuhl liegen lassen. Bin ich denn so herzlos? Ich vergesse das Letzte, was von Antoine noch geblieben ist, ich verrate meine Schwester, ich lasse meine Tochter allein zu Hause, um mit meinem Geliebten ins Kino zu gehen. Was kommt wohl als Nächstes?
    Sie nahm das Paket und drückte es unter ihrem Mantel ans Herz.
    »Was ich noch sagen wollte … Ihr Hut ist klasse!«, rief der Kellner ihr nach.
    Sie spürte, wie ihre Ohren unter dem Hut rot anliefen.
    Joséphine sah sich nach einem Taxi um, doch sie entdeckte keins. Es war ein ungünstiger Zeitpunkt. Die Leute waren auf dem Weg nach Hause oder fuhren ins Restaurant, ins Kino, ins Theater. Sie beschloss, zu Fuß zu gehen, obwohl ein eisiger Nieselregen fiel. Sie schlang die Arme um das Paket, das sie immer noch unter ihrem Mantel festhielt. Was soll ich damit machen? Ich kann es nicht in der Wohnung aufbewahren. Was, wenn Zoé es findet…? Ich bringe es lieber in den Keller.
    Inzwischen war es stockfinster. Die Avenue Paul Doumer war menschenleer. Mit schnellen Schritten ging sie an der Mauer des Friedhofs entlang. Sah die Tankstelle. Nur die Schaufenster waren beleuchtet. Sie entzifferte die Namen der Querstraßen, versuchte, sie sich zu merken. Rue Schlœsing, Rue Pétrarque, Rue Scheffer, Rue de la Tour … Jemand hatte ihr erzählt, dass Brigitte Bardot in dem schönen Eckhaus an der Rue de la Tour ihren Sohn zur Welt gebracht hatte. Sie hatte die gesamte Schwangerschaft zu Hause hinter zugezogenen Vorhängen verbracht, denn auf jedem Ast und auf jedem Balkon hockten Fotografen. Die Nachbarwohnungen waren zu horrenden Preisen vermietet worden. Sie war eine Gefangene in ihrem eigenen Heim. Und wenn sie sich doch einmal nach draußen wagte, verfolgte sie eine wütende Furie in den Aufzug, drohte, ihr die Augen mit einer Gabel auszustechen, und beschimpfte sie als Schlampe. Die arme Frau, dachte Joséphine, wenn das der Preis für den Ruhm ist, bleibt man doch lieber unbekannt. Nach dem Skandal, den Hortenses Fernsehauftritt ausgelöst hatte, hatten Journalisten versucht, Joséphine aufzuspüren, um sie zu fotografieren. Sie war zu Shirley nach London gefahren, und von dort aus waren sie gemeinsam in Shirleys großes weißes Haus auf Mustique geflohen. Nach ihrer Rückkehr war sie umgezogen, und so war es ihr gelungen, anonym zu
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