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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten
Autoren: Katherine Pancol
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und in ihren Augen loderte der erbittertste Hass, den je eine eifersüchtige Frau auf ihre Rivalin gerichtet hat. Es war diese Eifersucht, dieser wilde, ungezähmte Hass, der Joséphine durch Mark und Bein fuhr.
    »Du hasst mich ja, Iris …«, murmelte sie, und es klang wie ein Eingeständnis an sich selbst.
    »Endlich hast du’s kapiert! Endlich können wir mit diesem Theater aufhören und brauchen nicht länger so zu tun, als würden wir uns innig lieben!«, schrie Iris. Dann senkte sie die Stimme, heftete ihren glühenden Blick auf Joséphine und scheuchte sie hinaus.
    »Verschwinde!«
    »Aber, Iris …«
    »Ich will dich nicht mehr sehen. Du brauchst gar nicht mehr wiederzukommen! Dann bin ich dich endlich los!«
    Sie drückte auf den Klingelknopf, um die Pflegerin zu rufen, und ließ sich in die Kissen fallen. Dabei hielt sie sich mit beiden Händen die Ohren zu und ignorierte Joséphines Versuche, mit ihr zu reden und sich mit ihr zu versöhnen.
    Das war vor drei Wochen gewesen.
    Sie hatte niemandem davon erzählt. Nicht Luca, nicht Zoé, nicht Hortense, nicht einmal Shirley, die Iris nie gemocht hatte. Joséphine brauchte niemanden, der mit ihrer Schwester ins Gericht ging. Ihre Vorzüge und Schwächen kannte sie selbst zur Genüge.
    Sie ist wütend auf mich. Sie ist wütend auf mich, weil ich den ersten Platz eingenommen habe, der von Natur aus ihr zusteht. Ich habe Hortense nicht dazu gedrängt, alles ans Licht zu bringen, ich habe unseren Pakt nicht gebrochen. Doch wie sollte sie Iris dazu bringen, die Wahrheit zu akzeptieren? Ihre Schwester war viel zu verletzt, um sie anzuhören. Dabei war es Iris’ Idee gewesen, dass Joséphine einen Roman schreiben solle, der dann unter ihrem Namen erscheinen würde. Sie hatte Joséphine geködert, indem sie ihr das gesamte Honorar versprach – sie hatte alles eingefädelt. Joséphine hatte sich überreden lassen. Gegen ihre Schwester kam sie nicht an. Sie war zu schwach. Aber wo genau liegt die Grenze zwischen Schwäche und Feigheit? Zwischen Schwäche und Falschheit? War sie nicht doch glücklich gewesen, als Hortense im Fernsehen verkündet hatte, dass nicht ihre Tante, sondern ihre Mutter die wahre Autorin der Demütigen Königin sei? Ich war aufgewühlt, das stimmt, aber eher wegen Hortenses Geste, die mir auf ihre Weise damit sagte, dass sie mich liebt und schätzt. Öffentlich als Schriftstellerin anerkannt zu werden war mir nicht wichtig. Dieser Roman ist mir egal. Das Geld ist mir egal. Der Erfolg ist mir egal. Ich wünschte, es wäre alles wieder so wie früher. Dass Iris mich liebt, dass wir zusammen in Urlaub fahren, dass sie die Schönere ist, die Strahlendere, die Elegantere. Ich wünschte, wir würden wieder gemeinsam rufen: »Knick und Knock knackten den knurrigen Knuck, eh der sie knacken konnte«, so wie damals, als wir noch klein waren. Ich wünschte, ich wäre wieder diejenige, nach der kein Hahn kräht. Ich fühle mich nicht wohl in meiner neuen Rolle als erfolgreiche Frau.
    Plötzlich bemerkte sie ihr Bild in einem der Spiegel an den Wänden.
    Im ersten Moment erkannte sie sich nicht.
    War diese Frau etwa Joséphine Cortès?
    Diese elegante Frau in dem schönen cremefarbenen Mantel mit breitem Revers aus schimmerndem braunem Samt? Diese attraktive Frau mit glänzendem Haar, schön gezeichneten Lippen und einem erstaunten Funkeln in den Augen? War sie das? Der originelle Strickhut reckte sich stolz in die Höhe und kündete von der neuen Joséphine. Sie musterte diese vollkommen Fremde. Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen. Sie sehen wunderbar aus! Wie schön und frei Sie wirken! Ich wäre so gerne wie Sie, ich meine, in meinem Inneren genauso schön und strahlend wie das Bild, das mir der Spiegel zeigt. Wenn ich Sie so ansehe, habe ich das seltsame Gefühl, zwei Personen zu sein: Sie und ich. Dabei sind wir ein und dieselbe Frau.
    Sie blickte auf das Glas Cola vor ihr. Sie hatte es nicht angerührt. Die Eiswürfel waren geschmolzen und hatten das Glas beschlagen lassen. Sie zögerte, die Spuren ihrer Finger darauf zu hinterlassen. Warum habe ich eine Cola bestellt? Ich mag keine Cola. Ich mag die Bläschen nicht, die einem wie tausend rote Ameisen in die Nase steigen. Ich weiß nie, was ich bestellen soll, also sage ich Cola, wie alle anderen auch, oder Kaffee. Cola, Kaffee, Cola, Kaffee.
    Sie hob den Kopf und schaute auf die Uhr: halb acht! Luca war nicht gekommen. Sie nahm ihr Handy aus der Tasche, wählte seine Nummer, erreichte die
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