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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit
Autoren: Nelson Mandela
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ist reich an Erzen und Edelsteinen, die dicht unter seiner Oberfläche liegen, doch ich habe immer gewußt, daß ihr größter Reichtum in den Menschen liegt, die besser und wahrer sind als die edelsten Diamanten.
    Von diesen Kameraden im Kampf habe ich erfahren, was Mut heißt. Immer wieder habe ich Männer und Frauen erlebt, die ihr Leben für eine Idee aufs Spiel setzten und hingaben. Ich habe Männer gesehen, die Angriffen und Folter widerstanden, ohne zu zerbrechen, und die eine Stärke und Spannkraft bewiesen, die jede Vorstellung übertraf. Ich habe gelernt, daß Mut nicht die Abwesenheit von Angst ist, sondern der Triumph über sie. Ich habe selbst häufiger Angst empfunden, als ich mich erinnern kann, doch ich habe sie hinter einer Maske von Kühnheit verborgen. Der tapfere Mensch ist nicht der, der keine Angst verspürt, sondern der, der diese Angst überwindet.
    Nie habe ich die Hoffnung aufgegeben, daß dieser große Wandel stattfinden wird. Nicht wegen der großen Helden, die ich genannt habe, sondern wegen des Muts der einfachen Frauen und Männer meines Landes. Ich wußte immer, daß tief unten in jedem menschlichen Herz Gnade und Großmut zu finden sind. Niemand wird geboren, um einen anderen Menschen wegen seiner Hautfarbe, seiner Lebensgeschichte oder seiner Religion zu hassen. Menschen müssen zu hassen lernen, und wenn sie zu hassen lernen können, dann kann ihnen auch gelehrt werden, zu lieben, denn Liebe empfindet das menschliche Herz viel natürlicher als ihr Gegenteil. Selbst in den schlimmsten Zeiten im Gefängnis, als meine Kameraden und ich an unsere Grenzen getrieben wurden, sah ich einen Schimmer von Humanität bei einem der Wärter, vielleicht nur für eine Sekunde, doch das war genug, um mich wieder sicher zu machen und mich weiterleben zu lassen. Die Güte des Menschen ist eine Flamme, die zwar versteckt, aber nicht ausgelöscht werden kann.
    Wir haben den Kampf mit weit offenen Augen aufgenommen, ohne Illusion, daß der Weg leicht sein werde. Als junger Mann, als ich mich dem African National Congress anschloß, sah ich den Preis, den meine Kameraden für ihren Glauben zahlten, und er war hoch. Für mich selbst habe ich es nie bereut, mein Leben dem Kampf gewidmet zu haben, und ich war stets bereit, mich der Mühsal zu stellen, die mich persönlich betraf. Doch meine Familie hat einen schrecklichen Preis gezahlt, vielleicht einen zu hohen Preis für mein Engagement.
    Jedermann hat in seinem Leben eine doppelte Verpflichtung – die Verpflichtung gegenüber seiner Familie, seinen Eltern, seiner Frau und seinen Kindern, und er hat eine Verpflichtung gegenüber seinem Volk, seiner Gemeinschaft, seinem Land. In einer zivilen, humanen Gesellschaft ist jeder Mensch in der Lage, diese Verpflichtungen gemäß seinen Neigungen und Fähigkeiten zu erfüllen. Aber in einem Land wie Südafrika war es für einen Menschen meiner Herkunft und meiner Hautfarbe fast unmöglich, beide Pflichten zu erfüllen. In Südafrika wurde ein farbiger Mensch, der als menschliches Wesen zu leben versuchte, bestraft und isoliert. In Südafrika wurde ein Mensch, der seine Pflicht gegenüber seinem Volk zu erfüllen suchte, aus seiner Familie und seinem Heim gerissen und gezwungen, ein Leben im Abseits zu führen, eine zwielichtige Existenz der Geheimhaltung und Rebellion. Ich wollte nicht von Beginn an mein Volk über meine Familie stellen, doch bei dem Versuch, meinem Volk zu dienen, stellte ich fest, daß ich daran gehindert wurde, meine Pflichten als Sohn, Bruder, Vater und Ehemann zu erfüllen.
    Auf diese Weise ging meine Verpflichtung gegenüber meinem Volk, gegenüber den Millionen von Südafrikanern, die ich niemals kennen oder treffen würde, zu Lasten der Menschen, die ich am besten kannte und am meisten liebte. Es war so einfach und zugleich so unverständlich wie der Augenblick, da ein Kind seinen Vater fragt: »Warum kannst du nicht bei uns sein?« Und der Vater muß die schrecklichen Worte aussprechen: »Es gibt noch andere Kinder wie du, eine große Zahl von ihnen…«, und dann erstirbt ihm die Stimme.
     
     
    Ich bin nicht mit dem Hunger nach Freiheit geboren worden. Ich bin frei geboren worden – frei auf jede Weise, die ich kennen konnte. Frei, auf die Felder nahe der Hütte meiner Mutter zu laufen, frei, in dem klaren Fluß zu schwimmen, der durch mein Dorf floß, frei, Mealies zu rösten unter den Sternen und auf dem breiten Rücken langsam dahintrottender Bullen zu reiten. Solange ich meinem
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