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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit
Autoren: Nelson Mandela
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natürlich keineswegs der Fall. Häufig erklärte ich den Menschenmassen: »Erwartet nicht, daß ihr nach der Wahl einen Mercedes fahren oder im eigenen Swimmingpool im Garten baden werdet. Das Leben wird sich nicht dramatisch ändern, außer daß euer Selbstbewußtsein gestärkt ist und ihr Bürger in eurem eigenen Land werdet. Ihr müßt Geduld haben. Vielleicht müßt ihr fünf Jahre warten, ehe die ersten Erfolge sich einstellen.« Ich forderte sie heraus, bevormundete sie aber nicht. »Wenn ihr weiter in Armut ohne Kleidung und Nahrung leben wollt«, erklärte ich ihnen, »dann geht und trinkt in den Shebeens. Wenn ihr jedoch etwas Besseres wollt, dann müßt ihr hart dafür arbeiten. Wir können nicht alles für euch tun, ihr müßt es selbst tun.«
    Weißen Zuhörern erklärte ich, daß wir sie brauchten und nicht wollten, daß sie das Land verließen. Sie wären Südafrikaner wie wir und dies sei auch ihr Land. Ich beschönigte keineswegs die Schrecken der Apartheid, doch ich erklärte auch wieder und wieder, daß wir die Vergangenheit vergessen und uns auf die Bildung einer besseren Zukunft für alle konzentrieren sollten.
    Jede Wahlversammlung war auch dazu angelegt, die Menschen darüber zu informieren, wie sie zu wählen hatten. Der Wahlzettel war ein langes, schmales Stück Papier, auf dem die Parteien in absteigender Anordnung auf der linken Seite aufgeführt waren, während das Symbol der jeweiligen Partei und ein Bild ihres Vorsitzenden auf der rechten Seite angebracht waren. Wähler hatten in dem Kasten nächst der Partei ihrer Wahl ein X anzubringen. Ich erklärte den Zuhörern stets: »Schaut am Wahltag auf euren Wahlzettel, und wenn ihr das Gesicht eines jungen, hübschen Mannes seht, macht euer X.«
     
     
    DerWeg zur Freiheit war alles andere als glatt. Obwohl der Transitional Executive Council (TEC, Übergangs-Exekutivrat) im neuen Jahr zu arbeiten anfing, zogen sich einige Parteien aus der Wahl zurück. Die Inkatha lehnte eine Wahlbeteiligung ab und verschrieb sich einer Politik des Widerstands. Unterstützt von Häuptling Buthelezi, forderte König Zwelithini ein autonomes, souveränes KwaZulu und nahm jedem Bewohner seiner Provinz den Mut, zur Wahl zu gehen. Die weiße Rechte bezeichnete die Wahlen als Verrat und rief nach einem »Volkstaat«, doch sie hatten immer noch nicht erklärt, wo der liegen und wie er funktionieren sollte. In ganz Südafrika gab es keinen Magistratsbezirk, in dem Weiße die Mehrheit der Bewohner stellten.
    Der 12. Februar 1994 war der letzte Termin für Registrierung aller Parteien, und bis zu diesem Tag hatten sich Inkatha, die Konservative Partei und die Afrikandische Volksfront noch nicht eingetragen. Auch die Regierung des Bophuthatswana-Homeland verweigerte ihre Teilnahme und widersetzte sich der Aufnahme in ein vereinigtes Südafrika. Ich war beunruhigt, daß diese bedeutenden Gruppen es vorzogen, sich nicht zu beteiligen. Um sie wieder an den Verhandlungstisch zu holen, schlugen wir gewisse bedeutsame Kompromisse vor: Wir erklärten uns mit zwei Wahlgängen für Provinz- und Nationalparlamente einverstanden, desgleichen mit Garantien für mehr Macht der Provinzen, mit der Umbenennung der Provinz Natal in KwaZulu/Natal und mit der Erklärung, daß für Gruppen mit gemeinsamem Kultur- und Spracherbe der Grundsatz »interner« Selbstbestimmung in die Verfassung aufgenommen würde.
    Ich vereinbarte eine Begegnung mit Häuptling Buthelezi am 1. März in Durban. »Ich werde vor all jenen auf die Knie gehen, die unser Land in ein Blutbad treiben wollen«, erklärte ich vor diesem Treffen auf einer Kundgebung. Häuptling Buthelezi willigte ein, seine Partei provisorisch für die Wahlen einschreiben zu lassen, und forderte im Austausch das Versprechen, unsere Differenzen über Verfassungsfragen internationalen Verhandlungen anheimzugeben. Dem stimmte ich glücklich zu. Vor dem letzten Registrierungstermin schrieb sich auch General Viljoen im Namen einer neuen Partei, der Freedom Front, ein.
    Obwohl Lucas Mangope, der Präsident von Bophuthatswana, sich entschieden hatte, sein Homeland aus der Wahl herauszuhalten, veränderte der Strom der Ereignisse schon bald die Situation. Ich sprach zu ihm bei einer Vielzahl von Gelegenheiten und drängte ihn, sein Volk entscheiden zu lassen, doch er wollte nicht auf mich hören. Diejenigen, die eine Teilnahme wollten, organisierten Massendemonstrationen und Streiks, die bald auf die Zivilverwaltung von Bophuthatswana
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