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Der lange Weg zur Freiheit

Der lange Weg zur Freiheit

Titel: Der lange Weg zur Freiheit
Autoren: Nelson Mandela
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Sitte entsprechend hatte er Frauen aus den großen Königshäusern, dem Großen Haus, aus dem der Erbe ausgewählt wird, dem Haus Rechter Hand und dem Ixhiba, einem kleineren Haus, das auch Haus Linker Hand genannt wird. Die Aufgabe der Söhne des Hauses Linker Hand bestand darin, königliche Streitigkeiten beizulegen. Mthikrakra, der älteste Sohn des Großen Hauses, folgte auf Ngubengcuka, und zu seinen Söhnen gehörten Ngangelizwe und Matanzima. Sabata, der die Thembu von 1954 regierte, war der Enkel von Ngangelizwe und älter als Kaezer Daliwonga, besser bekannt als K. D. Matanzima, der frühere Chief Minister der Transkei – mein Neffe kraft Recht und Brauchtum –, der ein Abkömmling von Matanzima war. Der ältestes Sohn des Ixhiba-Hauses oder des Hauses Linker Hand war Simakade, dessen jüngerer Bruder Mandela war, mein Großvater.
    Im Laufe der Jahrzehnte hat es viele Geschichten gegeben, nach denen ich ein Anwärter oder Mitanwärter auf den Thembu-Thron sei, doch die einfache, oben von mir dargelegte Genealogie entlarvt solche Erzählungen als Märchen. Obwohl ich ein Angehöriger der königlichen Hofhaltung war, gehörte ich nicht zu den wenigen Privilegierten, die zum Herrschen erzogen wurden. Statt dessen wurde ich, als Abkömmling des Hauses Linker Hand, wie mein Vater vor mir dazu erzogen, die Herrscher des Stammes zu beraten.
    Mein Vater war ein hochgewachsener, dunkelhäutiger Mann mit einer aufrechten, würdevollen Körperhaltung, die ich, wie ich mir gern einbilde, von ihm geerbt habe. Genau über seiner Stirn hatte er ein Büschel weißes Haar, und als kleiner Junge rieb ich mir, um ihm nachzueifern, weiße Asche ins Haar. Mein Vater war sehr streng, und zur Züchtigung seiner Kinder benutzte er kräftig die Rute. Er konnte außerordentlich starrsinnig sein, ein weiterer Charakterzug, den der Sohn bedauerlicherweise vom Vater geerbt hat.
    Mitunter hat man meinen Vater als den Premierminister von Thembuland bezeichnet, und zwar während der Regierungszeit sowohl von Dalindyebo, Sabatas Vater, der im frühen 20. Jahrhundert herrschte, als auch von dessen Sohn, Jongintaba, der ihm nachfolgte. Premierminister ist eine Fehlbezeichnung, weil es einen solchen Titel nicht gab, doch hätte er der Rolle, die mein Vater spielte, weitgehend entsprochen. Er war ein geachteter und geschätzter Berater beider Könige, die er auf ihren Reisen begleitete, und für gewöhnlich fand man ihn bei wichtigen Verhandlungen mit Regierungsbeamten an ihrer Seite. Er war ein anerkannter Hüter der Xhosa-Geschichte, und zum Teil war dies der Grund dafür, daß er als Berater geschätzt wurde. Mein eigenes Interesse an Geschichte hat frühe Wurzeln und wurde von meinem Vater gefördert. Obwohl er weder lesen noch schreiben konnte, galt mein Vater als hervorragender Redner, der seine Zuhörer, sie gleichermaßen belehrend wie unterhaltend, fesseln konnte.
    In späteren Jahren entdeckte ich, daß mein Vater nicht nur ein Königsberater, sondern auch ein Königsmacher war. Nach dem frühzeitigen Tod von Jongilizwe in den 20er Jahren war sein Sohn Sabata, das Kind der Großen Gemahlin, noch zu jung zur Thronbesteigung. Es gab einen Disput darüber, welcher von Jongilizwes drei ältesten Söhnen von anderen Müttern – Jongintaba, Dabulamanzi und Melithafa – zu seinem Nachfolger gewählt werden sollte. Man konsultierte meinen Vater, und er empfahl Jongintaba mit der Begründung, er sei der Gebildetste von ihnen und er werde nicht nur der beste Treuhänder der Krone, sondern auch ein ausgezeichneter Mentor des jungen Prinzen sein. Mein Vater – wie auch einige andere einflußreiche Häuptlinge – empfand für Bildung die allergrößte Achtung, wie das oft der Fall ist bei Menschen, die ungebildet sind. Die Empfehlung meines Vaters war umstritten, da Jongintabas Mutter aus einem geringeren Hause stammte. Doch wurde die Wahl meines Vaters schließlich sowohl von den Thembus als auch der britischen Regierung akzeptiert. Später sollte Jongintaba sich für die Fürsprache in einer Weise erkenntlich zeigen, die mein Vater sich damals nicht hat vorstellen können.
    Alle erzählten, mein Vater habe vier Frauen gehabt, von denen die dritte, meine Mutter, Nosekeni Fanny, die Tochter von Nkedama vom amaMpemvu-Clan der Xhosa, dem Haus Rechter Hand entstammte. Jede dieser Frauen, die Große Gemahlin, die Ehefrau Rechter Hand (meine Mutter), die Ehefrau Linker Hand und die Ehefrau aus dem Iqadi (oder dem unterstützenden Haus), hatte
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