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Der lange dunkle Fünfuhrtee der Seele

Titel: Der lange dunkle Fünfuhrtee der Seele
Autoren: Douglas Adams
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der Grund dafür sein, daß so viele Sekten auf Flughäfen herumlungerten und nach Konvertiten Ausschau hielten. Sie wissen, daß die Leute dort so verletzlich und durcheinander sind wie sonst nie und bereit, jede Art von Führung anzunehmen.
    Kate machte die Augen wieder auf und war, natürlich, enttäuscht. Aber dann riß eine oder zwei Sekunden später eine lange wogende Menge verdrossener Deutscher in unsäglich gelben Polohemden vorübergehend auf und gab ihr kurz den Blick auf den Abfertigungsschalter nach Oslo frei. Sie hievte sich ihren Kleidersack wieder auf die Schulter und steuerte darauf zu.
    An dem Schalter stand nur ein einziger Mensch, und der, so stellte sich heraus, hatte Schwierigkeiten oder machte vielleicht auch welche.
    Er war ein großer Mann, eindrucksvoll groß und gut gebaut - ja ausgezeichnet gebaut -, aber er sah gleichzeitig entschieden merkwürdig aus, und das auf eine Weise, mit der Kate nicht ganz zu Rande kam. Sie konnte nicht mal sagen, was an ihm so merkwürdig war, nur daß sie augenblicklich die Neigung hatte, ihn nicht auf die Liste der Dinge zu setzen, über die sie im Moment nachdenken wollte. Sie erinnerte sich, einen Zeitungsartikel gelesen zu haben, in dem stand, daß die zentrale Recheneinheit des menschlichen Gehirns nur sieben Gedächtnisspeicher besitze, was hieß, wenn man sieben Dinge gleichzeitig im Kopf hatte und dann an was anderes dachte, dann plumpste eins von den anderen sieben im selben Moment heraus.
    In schneller Folge dachte sie daran, ob sie wohl das Flugzeug kriegen werde oder nicht, ob sie sich das bloß einbilde, daß es ein besonders saumäßiger Tag sei, dachte an Angestellte von Fluggesellschaften, die bezaubernd lächeln und atemberaubend unverschämt sind, an Duty-free-Shops, die in der Lage sind, viel niedrigere Preise als normale Läden zu fordern, es aber - rätselhafterweise - nicht tun, daran, ob sie wohl einen Zeitschriftenartikel über Flughäfen zustande bekäme oder nicht, der ihr helfen könnte, die Reise zu finanzieren, ob ihr Kleidersack auf der anderen Schulter weniger weh täte und schließlich, trotz all ihrer gegenteiligen Bemühungen, an Jean-Philippe, der ganz allein wiederum eine Reihe von zumindest sieben Unterthemen bildete.
    Der Mann, der streitend vor ihr stand, verschwand auf der Stelle aus ihren Gedanken.
    Erst die Ankündigung der Flughafendurchsage, daß nun der letzte Aufruf für den Flug nach Oslo erfolge, zwang sie, ihre Aufmerksamkeit wieder der Situation vor sich zuzuwenden.
    Der große Mann beschwerte sich darüber, daß ihm kein Platz in der ersten Klasse reserviert worden sei. Es hatte sich soeben herausgestellt, daß der Grund dafür war, daß er gar kein Erster-Klasse-Ticket besaß.
    Kates Stimmung sank in den tiefsten Keller ihres Charakters, begann dort umherzustreifen und leise Knurrgeräusche von sich zu geben.
    Jetzt stellte sich heraus, daß der Mann vor ihr in Wirklichkeit überhaupt kein Ticket besaß, und darauf begann die Auseinandersetzung sich unverblümt und wütend auf Themen wie das körperliche Äußere des Mädchens hinter dem Abfertigungsschalter auszuweiten, ihre Qualitäten als Mensch, Mutmaßungen über ihre Vorfahren, Spekulationen darüber, was für Überraschungen die Zukunft für sie und die Fluggesellschaft, für die sie arbeitete, noch in petto haben könnte, und verfiel schließlich zufällig auf das erfreuliche Thema Kreditkarte.
    Der Mann hatte keine.
    Weitere Diskussionen folgten und drehten sich um Schecks und darum, warum die Fluggesellschaft sie nicht akzeptiere.
    Kate warf einen langen, langsamen, mordgierigen Blick auf ihre Uhr.
    »Entschuldigen Sie«, sagte sie, indem sie die Verhandlungen unterbrach. »Wird das noch lange dauern? Ich muß den Flug nach Oslo kriegen.«
    »Ich bediene gerade diesen Herrn«, sagte das Mädchen, »in nur einer Sekunde bin ich für Sie da.«
    Kate nickte und ließ höflich nur eine Sekunde verstreichen.
    »Es ist nur, daß der Flug jede Sekunde losgeht«, sagte sie dann. »Ich habe ein Gepäckstück, ich habe mein Ticket, ich habe eine Platzreservierung. Das dauert etwa dreißig Sekunden. Ich mische mich sehr ungern ein, aber noch weniger gern verpasse ich wegen dreißig Sekunden meinen Flug. Wegen dreißig echten Sekunden, nicht dreißig ›Nur eine Sekunde‹-Sekunden, die uns hier den ganzen Abend festhalten könnten.«
    Das Mädchen von der Abfertigung wandte Kate den vollen Glanz ihrer Lippenpomade zu, aber ehe sie sprechen konnte, drehte sich
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