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Der lange dunkle Fünfuhrtee der Seele

Titel: Der lange dunkle Fünfuhrtee der Seele
Autoren: Douglas Adams
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aus dem Haus gehen und an einem Tisch sitzen und auf rote Papierservietten starren mußte, war keine echte Pizza, ganz egal, wie viele Extrapeperoni und -anchovis sie drauflegten.
    London war die Stadt, in der sie am liebsten wohnte, abgesehen natürlich von dem Pizzaproblem, das sie verrückt machte. Warum wollte niemand Pizza nach Hause liefern? Warum begriff niemand, daß es für das ganze Wesen einer Pizza von grundlegender Bedeutung ist, daß sie in einer heißen Pappschachtel an der Wohnungstür eintrifft? Daß man sie aus dem Pergamentpapier gleiten läßt und in zusammengefalteten Stücken vor dem Fernseher verzehrt? Welchen grundlegenden Defekt hatten die dämlichen, hochnäsigen, faulen Briten, daß sie diese simple Wahrheit nicht begriffen? Aus irgendeinem seltsamen Grund war das die einzige Enttäuschung, mit der einfach zu leben und die zu akzeptieren sie niemals lernen konnte, und ungefähr einmal im Monat wurde sie dann regelmäßig sehr deprimiert, rief bei einer Pizzeria an, bestellte die größte, luxuriöseste Pizza, die ihr in den Sinn kam - eine Pizza, im Grunde mit einer Extrapizza drauf -, und bat dann freundlich darum, sie ihr zu liefern.
    »Was bitte?«
    »Liefern. Ich sage Ihnen meine Adresse -«
    »Ich verstehe nicht. Wollen Sie nicht herkommen und sie sich abholen?«
    »Nein. Sie werden Sie mir doch liefern? Meine Adresse -«
    »Äh, wir machen das nicht, Miss.«
    »Machen was nicht?«
    »Äh, liefern ...«
    »Sie liefern nicht? Verstehe ich Sie richtig...?«
    Der Dialog artete jedesmal rasch zu einer häßlichen gegenseitigen Beschimpfung aus, worauf sie sich erschöpft und elend fühlte, aber am nächsten Morgen viel, viel besser. In jeder anderen Hinsicht war sie einer der reizendsten Menschen, denen zu begegnen man hoffen konnte.
    Aber der heutige Tag forderte sie bis zum letzten.
    Es hatte auf der Autobahn schreckliche Staus gegeben, und als dem fernen Blinken blauer Lichter deutlich zu entnehmen war, daß die Ursache ein Unfall irgendwo vor ihnen sei, war Kate noch nervöser geworden und hatte starr aus dem anderen Fenster gesehen, als sie schließlich langsam dran vorbeigefahren waren.
    Der Taxifahrer war schlecht gelaunt gewesen, als er sie endlich abgesetzt hatte, weil sie kein passendes Geld hatte, und es hatte eine Menge ärgerliches Gesuche in engen Hosentaschen gegeben, ehe er schließlich in der Lage war, Wechselgeld für sie zu finden. Die Atmosphäre war dumpf und gewittrig, und als sie nun mitten in der Hauptabfertigungshalle des Terminals Zwei im Flughafen Heathrow stand, konnte sie den Abfertigungsschalter für ihren Flug nach Oslo nicht finden.
    Sie stand einen Moment sehr still da, atmete ruhig und tief und versuchte, nicht an Jean-Philippe zu denken.
    Jean-Philippe war, wie der Taxifahrer richtig geraten hatte, der Grund, weshalb sie nach Norwegen flog, er war aber auch der Grund, weshalb sie überzeugt war, daß Norwegen als Reiseziel für sie absolut nicht empfehlenswert sei. Sobald sie an ihn dachte, fing ihr Kopf an zu vibrieren, und da schien es doch das beste, gar nicht erst an ihn zu denken, sondern einfach nach Norwegen zu fliegen, als wolle sie zufällig sowieso dorthin. Sie wäre dann schrecklich überrascht, wenn sie ihn unerwartet in egal welchem Hotel anträfe, das er auf die Karte geschrieben hatte, die im Seitenfach ihrer Handtasche klemmte.
    Tatsächlich würde sie auf jeden Fall überrascht sein, wenn sie ihn dort vorfände. Was sie mit größerer Wahrscheinlichkeit vorfände, wäre eine Nachricht von ihm, die besagen würde, daß er unerwartet nach Guatemala, Seoul oder Teneriffa gerufen worden sei und daß er sie von dort anrufen werde. Jean-Philippe war der mit der größten Beständigkeit abwesende Mensch, dem sie je begegnet war. Darin war er der Gipfelpunkt einer ganzen Reihe von Menschen. Seit sie Luke an den großen gelben Chevrolet verloren hatte, war sie sonderbar abhängig gewesen von den recht nichtssagenden Gefühlsregungen, die eine Reihe egozentrischer Männer in ihr ausgelöst hatten.
    Sie versuchte, all das aus ihren Gedanken zu streichen und auch die Augen für eine Sekunde zu schließen. Sie wünschte sich, wenn sie sie wieder öffnete, befände sich ein Schild vor ihr mit der Aufschrift: »Nach Norwegen dort entlang«, dem sie einfach folgen könnte, ohne über es oder andere Dinge noch jemals nachdenken zu müssen. So, überlegte sie in Fortführung ihres früheren Gedankengangs, entstünden vermutlich Religionen, und das müsse
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