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Der Kuss

Der Kuss

Titel: Der Kuss
Autoren: Kooky Rooster
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auf verlorenem Posten befand. Seine Mutter wischte hektisch über die Arbeitsfläche in der Küche, spielte vortrefflich die alleinerziehende Märtyrerin, die für ihren Sohn alles tat – da könne sie von ihm durchaus auch mal verlangen, dass er im Haushalt mit anpackte.
    „Der Waschkeller ist nicht die Öffentlichkeit … soviel ich weiß, wird er in diesem Haus so gut wie nicht mehr genutzt. Zudem gibt es für jeden Stock einen eigenen Waschtag“, erklärte sie geschäftig. Sie hatte recht. Zwar besaßen sie selbst eine Waschmaschine, die war allerdings seit einiger Zeit defekt. Erst brauchte es ewig bis der Servicedienst reagierte, weil angeblich die Garantiefrist nicht geklärt war, dann mussten Ersatzteile bestellt werden und zu allem Überfluss kamen auch noch die falschen an. Mittlerweile mussten sie schon über zwei Wochen ohne das Gerät auskommen.
    „Ich finde das eklig – da waschen die alten Weiber ihre Inkontinenz-Wäsche und Busenhalter, die die Alpen verhüllen könnten.“
    „Michael!“, mahnte seine Mutter, „Erstens: Es heißt nicht
Weiber
; Zweitens: Die Funktion einer Waschmaschine ist die Reinigung. Zuletzt war also immer
saubere
Wäsche in der Trommel, alles klar?“
    Damit schnappte sie ihre Handtasche, sperrte die Tür auf und sagte die drei Worte, die Söhne alleinerziehender Mütter zur Selbstausbeutung zwingen:
    „Enttäusch' mich nicht!“
    Das war gleichbedeutend mit:
'Du hast mir bereits sehr weh getan, erinnere dich'
und
'Dafür, dass ich vor lauter Kummer und Sorgen darüber – uns durchzubringen, nicht schlafen kann, winde du dich gefälligst nächtelang in quälenden Schuldgefühlen'.
    „Ich liebe dich auch“, rief Michael ihr hinterher, doch die Tür fiel schon ins Schloss.
     
    Verdammt, ausgerechnet dieses rumpelnde, alte Monster im Keller. Michael hatte kein Problem damit, Wäsche zu waschen – in der eigenen, modernen Waschmaschine im Bad. Die Vorstellung, seine benutzten Unterhosen durchs Haus zu schleppen und diesem gierigen Blechungeheuer im Keller dem Fraß vorzuwerfen … ja, davor grauste ihm. Egal was seine Mutter sagte, er hatte immer das Gefühl, die Kleidung würde nach einer Wäsche in diesem Ding nach Altweiberurin und dem Schweiß aus Riesenbusenhaltern stinken.
    Außerdem war die Bedienung des altmodischen Geräts ein Alptraum. Zwar hatte ihm seine Mutter eine idiotensichere Anleitung aufgeschrieben und gut sichtbar auf den Wäschekorb platziert, aber Michael hatte dennoch Angst. Eine falsche Eingabe, und die Waschmaschine würde sich in einen Reißwolf verwandeln oder spucke Schaum aus und ertränke damit das ganz Stadtviertel, ähnlich wie Brei in diesem Märchen.
    Am besten brachte er es sofort hinter sich. Er schnappte sich ein Buch, warf es zur Anleitung auf die Schmutzwäsche und machte sich auf den Weg in den Keller.
    Um zum Waschraum zu gelangen musste man zwei Türen aufschließen und hinterher wieder versperren, sonst gab es Ärger mit der Hausverwaltung. Richtig: Man musste sich im kalten, dunklen Keller hinter zwei schweren Feuerschutztüren selbst einsperren!
    Das Licht auf dem Gang hatte eine Zeitschaltung, die immer um einige Sekunden knapper bemessen war als Michael brauchte, um den Behälter abzustellen, aufzusperren, den Korb durch die Tür zu bugsieren, wieder zuzusperren, die Wäsche hochzunehmen … Das bedeutete, zwangsläufig schaltete das Licht mitten auf dem Weg mit einem
'Klack'
ab und ließ ihn im Dunkel zurück. Ein immer noch gruseliger Moment, obwohl er schon siebzehn war. Dann hieß es, den nächsten rot leuchtenden Punkt anzusteuern und den Wäschekorb dagegen zu pressen.
    Passierte ihm im Treppenhaus, dass das Licht ausging, hatte er jedes Mal ein mulmiges Gefühl den nächsten Schalter zu betätigen. Er hatte Angst, versehentlich die Glocke einer der Wohnungen zu drücken und so zu provozieren, dass eine der alten Frauen ihre Tür öffnet – nur in Monster-BH, zeltgroßen Unterhosen und Lockenwicklern, ein Ungeheuer aus Falten, Fett und Cellulite. Dagegen waren Zombiefilme und Egoshooter reinstes Babyhäschenknuddeln.
    Michael hatte die zweite Tür hinter sich verriegelt und tappte, den riesigen Wäschekorb vor seinem Bauch haltend, über den Steinboden an den Holzgefängnissen für Winterreifen, Skiausrüstungen, ausrangierte Möbel und Reservefliesen vorbei. Es roch, wie immer, feucht und nach Wein – anscheinend ließ in regelmäßigen Abständen jemand eine Flasche fallen, deren Inhalt dann wochenlang vor sich
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