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Der Kuss des Werwolfs - 1

Der Kuss des Werwolfs - 1

Titel: Der Kuss des Werwolfs - 1
Autoren: Isabell Alberti
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ihrer Haut leckte, ließ Nola würgen.
    »Es kann ein Symbol dafür sein, sich mit dem anderen ganz und gar zu vereinen, wenn man ihm einen Teil von sich gibt«, erklärte Deborah.
    »Auf so ein Symbol kann ich verzichten. Wirklich, Deb!«
    Deborah zuckte mit den Schultern und zeigte dabei ein alles verstehendes und alles verzeihendes Arztlächeln. »Wie du meinst. Die Kratzer sind jedenfalls nicht gefährlich und dürften schnell abheilen.«
    Nola starrte aus dem Fenster der U-Bahn, doch da gab es nichts zu sehen außer Schwärze. Also betrachtete sie die anderen Fahrgäste im Wagen und dachte darüber nach, dass laut Statistik einer oder zwei von ihnen beim Sex ungewöhnliche Praktiken bevorzugte. Angeblich war das nichts Besonderes, aber Nola fand, das war ein Widerspruch in sich. Sie sollte aufhören, deswegen zu grübeln. Stattdessen musterte sie weiter die Leute und fragte sich, zu wem von ihnen das passen würde. Vielleicht zu dem jungen Farbigen mit den langen Beinen, der ein paar Bänke vor ihr entfernt saß und mit den Füßen im Takt zur Musik aus seinem MP3-Player wippte? Oder zu der molligen Frau, deren Bluse unter den Armen Schweißflecken hatte? Oder zum älteren Inder gegenüber … oder … oder? Es konnte jeder sein.
    An der Haltestelle »Charing Cross« stieg sie aus und fuhr auf der Rolltreppe nach oben. Im Sonnenlicht angekommen, schüttelte sie die düsteren Gedanken ab.
    Im Kamin brannte ein Feuer. Nicht, dass er eines gebraucht hätte — schließlich war Sommer und seinesgleichen waren gegen Unbilden wie Kälte gefeit. Er spürte höchstens ein Unbehagen, wenn Eis seine Füße überzog. Nein, ihm gefiel einfach das Geräusch des prasselnden Feuers. Maksym Derenski saß mit hochgelegten Beinen in einem Ohrensessel in seinem Haus in der Krakauer Altstadt. Von außen sah es heruntergekommen aus, innen hatte es die Gemütlichkeit einer Stadtvilla aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
    Neben Maksym stand ein Tisch, auf dem ein Stapel polnischer, deutscher, englischer und französischer Zeitungen lag. Um den Ohrensessel auf dem Boden waren weitere Exemplare verstreut, als hätte sie ein Windstoß dorthin gefegt. Tatsächlich war Derenski für die Unordnung verantwortlich — er ließ die Zeitungen fallen, nachdem er sie gelesen hatte. Sein Butler Rupert würde sie später wegräumen. Gerade nahm die deutsche »Bild« den Weg zum Boden, und er griff sich »Le Monde« vom Stapel.
    »Maksym, mein Lieber, hier bist du«, ertönte die dunkle Stimme einer Frau.
    »Ich bin beinahe jeden Abend hier, und zwar seit zweihundert Jahren.« Derenski antwortete, ohne von seiner Zeitung aufzusehen, und blätterte geräuschvoll um.
    »Bist du am Ende solide geworden?« Die Frau kam näher. Sie trug ein langes Nachthemd aus schwarzer, hauchzarter Spitze und darüber einen nicht minder zarten Morgenmantel in der gleichen Farbe. Das schwarze Haar fiel ihr in üppigen Wellen beinahe bis zur Hüfte. Ihre ohnehin blasse Haut wirkte dadurch noch blasser und verlieh ihr das Aussehen einer Porzellanfigur, gleichzeitig bewegte sie sich mit der Geschmeidigkeit eines Raubtiers. In einer Hand hielt sie eine Zigarettenspitze aus Elfenbein. Mit einer zierlichen Bewegung zog sie daran, und das Ende der Zigarette glühte kurz auf. Die Frau hieß Antonia Derenska.
    »Warum musst du rauchen, Tonia?«
    »Es gefällt mir.«
    »Es stinkt.«
    »Na, na, es riecht höchstens.« Sie trat hinter Derenski und strich ihm mit der freien Hand über den Nacken. Ihre Nägel waren sorgfältig manikürt und dunkelrot lackiert. »Und du warst mit Sicherheit schon an Orten, an denen es schlimmer gerochen hat.«
    Derenski räusperte sich, und Antonia quittierte das mit einem amüsierten Auflachen. Dunkel, lockend hing es im Raum. »Oh, mein Lieber, du brauchst nicht so zu tun, als könnte der Rauch dir etwas anhaben.«
    Sie beugte sich vor und küsste ihn. Derenski sah endlich zu ihr auf. Seine Lippen suchten ihre, und er zog sie an sich. Sie rutschte auf seinen Schoß und zerdrückte dabei »Le Monde«, doch das störte sie nicht. Antonia erwiderte seinen Kuss leidenschaftlich, dann bog sie den Kopf zurück und ließ zu, dass seine Zunge ihren Hals liebkoste und schließlich an ihrer Kehle verharrte.
    »Solche schlimmen Sachen tust du mit deiner Schwester?«, gurrte sie und lächelte dabei.
    Derenski knabberte an der Haut ihrer Kehle. Er war dicht davor, sie zu verletzen: Beim Geschmack ihres Blutes würde er die Kontrolle über sich verlieren
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