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Der Kuss des Satyrs

Der Kuss des Satyrs

Titel: Der Kuss des Satyrs
Autoren: Elizabeth Amber
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lange. Ungeduldig drängte er darauf, den Inhalt des Schreibens zu erfahren, um so schnell wie möglich wieder auf sein Gut zurückzukehren und die dortigen Arbeiten zu überwachen.
    Nicks Fingerspitzen kribbelten von dem Summen der Magie der Anderwelt, die dem Pergament anhaftete, aber er verriet mit keiner Miene den Inhalt des Schreibens, während er las. Im Laufe von drei Dekaden hatte er gelernt, seine Gefühle zu unterdrücken. Sie alle hatten es als notwendig erachtet, ihre wahre Natur zu verbergen; halb Mensch, halb Satyr, wuchsen sie in einer Welt auf, die ihresgleichen nicht anerkannte.
    Raine wandte sich vom Fenster ab und warf einen Blick auf das Pergament. »Ist es eine Nachricht von einem der Alten?«
    Nick nickte; es war ein kaum wahrnehmbares Senken seines dunklen Hauptes. »Von König Feydon höchstpersönlich.«
    Lyon hielt mitten in der Bewegung inne und fuhr herum. »Was zum Teufel will der denn von uns?«
    Der Lederbezug von Nicks Sessel knarzte leise, als er eine neue Position für seinen gut zwei Meter großen, muskulösen Körper suchte. »Wie es scheint, ist es ihm gelungen, drei Erdentöchter zu zeugen.«
    Raine nahm die Nachricht schweigend entgegen. Nur ein leichtes Versteifen seiner Schultern zeigte an, dass er zugehört hatte. Lyon schnaubte amüsiert. »Dieser geile alte Sack schickt uns eine Geburtsanzeige? Noch dazu von seinem Sterbebett?«
    Die Bedeutung der Nachricht war ihm nicht bewusst. Vergnügt ließ er einen Globus der Erdenwelt auf einer Fingerspitze kreiseln. Juwelenbesetzte Kontinente, mit Saphiren geschmückte Ozeane und ein, zwei Smaragddrachen funkelten im Kerzenschein.
    »Die Mitteilung kommt ein wenig verspätet«, stellte Nick klar. »Seine drei Töchter wurden vor knapp zwanzig Jahren geboren. Offenbar macht ihm jetzt sein schlechtes Gewissen zu schaffen. Es ist sein letzter Wille, dass wir die Situation, deren Urheber er ist, bereinigen.«
    Raine verschränkte die Arme vor der Brust. Er hegte einen Verdacht, und dieser Verdacht ließ seine Augen die Farbe eines drohenden Unwetters annehmen. »Und wie genau sollen wir das anstellen?«
    »Laut seinen Anweisungen sollen wir seine Nachkommen aufspüren und heiraten«, sagte Nick.
    Erstaunt brach Lyon in bellendes Gelächter aus. »Was?«
    Nick warf das Pergament auf die Schreibtischplatte. »Lest doch selbst, wenn ihr mir nicht glaubt. Und sei bitte vorsichtig mit meinem Globus, Lyon.«
    Lyon schaute auf seine großen Hände und sah, dass er dabei war, eine von Nicks Kostbarkeiten zu zerdrücken. Seine Kraft war besser in der Natur aufgehoben und nutzte ihm viel bei seiner Arbeit in den Weinbergen, aber in Nicks elegant eingerichteten Räumlichkeiten war sie hinderlich, und er musste ständig auf der Hut sein, nicht unabsichtlich irgendetwas zu zerstören.
    Er zog eine Grimasse und stellte den Globus in seine Halterung zurück. Dann trat er an Nicks Schreibtisch, hob den Brief auf und las laut vor:
    Herren von Satyr, Söhne des Bacchus, es sei Euch mitgeteilt, dass ich sterbe und nichts es zu ändern vermag. Da meine Zeit näher rückt, verfolgt mich die Last vergangener Indiskretionen. Ich muss von ihnen erzählen
.
    Vor neunzehn Sommern habe ich mit drei hochgeborenen Frauen der Erdlinge Töchter gezeugt. Ich säte meinen Samen, während diese Frauen schliefen. Keine von ihnen war sich meines nächtlichen Besuchs bewusst
.
    Meine drei erwachsenen Töchter sind jetzt in Gefahr und müssen vor den Mächten, die ihnen schaden können, beschützt werden. Es ist mein letzter Wille, dass Ihr es als Eure Pflicht anerkennt, sie zu heiraten und unter Euren Schutz zu stellen. Ihr werdet sie in der gehobenen Gesellschaft von Rom, Venedig und Paris finden
.
    Das ist mein Wille
.
    »Das ist absurd«, murmelte Lyon voller Abscheu. Er klatschte den Brief auf Nicks Schreibtisch und brachte damit das Kristall der kleinen Tintenfläschchen zum Klirren. Dieser kleine Ausbruch von Gewalt beruhigte ihn jedoch nicht; er drehte sich um und fing wieder an, im Raum auf und ab zu streifen wie ein Raubtier auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit aus seinem Käfig.
    Raine nahm sich das Pergament und überflog stumm die Zeilen, analysierte jede Phrase, suchte nach kleinsten Bedeutungsunterschieden. Als er es schließlich wieder hinlegte, schaute er grimmig.
    Er war schon einmal verheiratet gewesen. Drei Jahre war das jetzt her, und die Ehe hatte innerhalb weniger Monate in einem Desaster geendet. Er hatte sich geschworen, dieses Risiko nicht
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