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Der Kuss Des Kjer

Der Kuss Des Kjer

Titel: Der Kuss Des Kjer
Autoren: Lynn Raven
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eine andere Erklärung für das jähe Ende seiner Qualen? Müsste es nicht mehr schmerzen, wenn ich tatsächlich einen Teil meiner Seele verloren hätte? -
    Was soll nun werden?
    Sie widerstand dem Drang, die Stirn gegen das raue Holz zu legen, war sich der Blicke der Menschen um sie her nur zu bewusst. Menschen, die sie kannte, deren Krankheiten sie behandelt hatte. - Menschen, die ihn noch mit Steinen und Unrat beworfen hatten, als er schon am Kreuz hing.
    Lijanas presste die Lippen zusammen. - Bis zuletzt hatten sie ihm keinen Laut entlocken können.
    jetzt ließ sie die Stirn doch gegen den Balken sinken. Wie Aslajin den Schmerz von Norasár und Zejidan gespürt hatte, als ihre Geliebten in den Bergen jenseits von Kassens Klamm getötet worden waren, hatte sie seine Qual gespürt, den reißenden Schmerz in Armen und Schultern, die das ganze Gewicht seines Körpers zu tragen hatten, das mühevolle Ringen um jeden Atemzug, während seine Kraft unaufhaltsam schwand und eiserne Bänder seine Brust enger und enger zusammenzupressen schienen.
    Sein verzweifelter Kampf hatte endlose Stunden gedauert, in denen sie in ihrer Kammer in den Hallen der Gesegneten der Rabin kauerte, gefangen in Hilflosigkeit und Verzweiflung, weil sie wusste, dass am Ende dieses Kampfes nur eines wartete, dass es in Astrachar keine Gnade für den Mann gab, den man die Bestie von Sajidarrah nannte.
    Und dann der Augenblick, in dem die Qual übermächtig wurde und sein Körper ihn verriet. Das letzte kraftlose Aufbäumen, das letzte mühsame Um-Atem-Ringen, der Moment, in dem er aufgab, das Ende willkommen hieß. - Der Moment, in dem Lijanas ihn zu halten versuchte; der Moment, in dem ....
    »Ich habe stets nur Schlechtes über den Blutwolf gehört, aber der Mann, dem meine Tochter ihr Herz schenkt, kann nicht so durch und durch böse gewesen sein, wie immer behauptet wurde. «Die Stimme ihrer Ziehmutter Ni6gra riss sie aus ihren Gedanken, zögernd drehte sie sich um. »Und wenn er dich auch geliebt hat, würde er bestimmt nicht wollen, dass du ausgerechnet hier um ihn trauerst. - Lass uns nach Hause gehen, Kind! «
    Die blinde alte Frau streckte ihr die Hand entgegen, die runzligen Finger fanden ihre und drückten sie. Plötzlich saßen Tränen in Lijanas' Kehle. Sie schluckte sie trotzig runter und schloss ihre Hand fester um die ihrer Ziehmutter. Nachdem sie während der Kreuzigung direkt zu Rusans Füßen mit einem schrecklichen Schrei zusammengebrochen war, hatte Niégra darauf bestanden, sie in die Halle der Gesegneten der Rabin zu bringen und nicht zurück in den Palast.
    Und hatte sie so - ohne es in diesem Augenblick zu ahnen - aus Ahmeers Gewalt befreit. Seit die alte Frau wusste, welch böses Spiel der Prinz mit Lijanas getrieben hatte, nutzte sie ihre Macht als Erste Gesegnete der Gnädigen Göttin, um ihre Ziehtochter vor ihm zu schützen.
    Doch nicht nur, dass sie Ahmeer nicht mehr in ihre Nähe ließ - sie hatte sich sogar von ihrem Flehen erweichen lassen, war zu Rusan gegangen und hatte um Gnade für den Gekreuzigten gebeten. Erfolglos! Und nun waren da seit gestern Stimmen, die sagten, dass es vielleicht bald Frieden zwischen Kjer und Nivard geben würde - auch wenn viele nicht damit einverstanden waren. Sie krallte die Hände in ihr Gewand. Selbst wenn es Frieden gab: Es war ihr gleich. Für Mordan kam er zu spät.
    Noch einmal blickte Lijanas zu den rauen Balken hinauf.
    Warum das alles? Nur damit du deine Wettschuld nicht bezahlen musst?
    Sie drückte die Hand vor den Mund, um das verzweifelte Gelächter zu ersticken. Was waren das für Gedanken? Als ob sie nicht mit Freuden auf diese Schuld verzichtet hätte, wenn das der Preis für sein Leben gewesen wäre.
    Niégras Hand fand ihre Wange, glitt voll Mitgefühl darüber. »Quäl dich nicht, Kind. Behalte ihn in deinem Herzen, aber quäl dich nicht. Wenn er dich geliebt hat, wäre, das nicht sein Wunsch. -Lass uns gehen. «

    Lijanas nickte stumm, strich ein letztes Mal über das rissige Holz. Es waren Kjer gewesen, die seinen Leichnam abgenommen hatten - mit einem Vermögen aus Gold und Edelsteinen hatten sie ihn dem Fürsten abgekauft, wenn man dem Gerede glaubte. Kurz schloss sie die Augen.
    Das Wissen, dass er von seinem Volk mit Respekt bestattet werden würde, war ihr einziger Trost. Sie presste die Lippen zusammen, atmete tief durch und bemühte sich einmal mehr, jenen Teil von sich zum Schweigen zu bringen, der weiter störrisch darauf beharrte: Er ist nicht tot!
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