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Der Kuss Des Kjer

Der Kuss Des Kjer

Titel: Der Kuss Des Kjer
Autoren: Lynn Raven
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Blick verzerrte sich, der Schrei nach Gnade erstarb in ihrer Kehle, als der Schmerz unvermittelt ihre Sinne verschlang und sie in Schwärze ertränkte.

    ***
    Er hätte nicht gedacht, dass Kjer so unverschämt sein könnten! Doch zwei Dutzend Krieger waren am Morgen unter der weißen Flagge des Unterhändlers in Anschara eingeritten und hatten darum gebeten, von ihm empfangen zu werden. Er hatte sie warten lassen, bis weit nach Mittag - und blickte ihnen nun herablassend entgegen.
    Der Kjer, der an der Spitze des kleinen Trupps auf ihn zuschritt, war für einen Krieger schon erstaunlich alt. Sein Haar war grau, doch in den gelben Augen, die Rusan an die eines Raubvogels erinnerten, stand keine Spur von Alter oder Schwäche. Er näherte sich ihm ehrerbietig und sank dann auf ein Knie. Hinter ihm setzten die anderen Kjer fünf mächtige Truhen auf dem Boden des Audienzsaales ab.
    Rusan runzelte die Stirn und lehnte sich auf seinem Sitz zurück.
    »Was wollt Ihr?« Er bemühte sich nicht darum, freundlich oder gar höflich zu sein.
    Der alte Kjer sah ihn an. »Wir sind hier, um für einen der Unseren zu bitten, der sich in Eurer Hand befindet, Fürst Rusan.«
    »Wenn Ihr den meint, den man den Blutwolf nennt ... Nun, da seid Ihr zu spät. Er hängt seit zwei Tagen am Kreuz.«
    Durch die Reihen der Krieger ging ein Raunen. Einer von ihnen, ein schmales Bürschchen, das sein Gesicht unter der Mantelkapuze verbarg, machte einen Schritt vorwärts, blieb dann aber wieder stehen.
    » Ist er noch am Leben, hoher Fürst?« Der Krieger mit den Raubvogelaugen beugte sich vor.
    »Vor dem Mittag war es noch so. - Euer Bitten ist vergebens! Für diesen Mann gibt es keine Gnade in Astrachar.«
    »Auch dann nicht, wenn wir mit Gold und Edelsteinen für sie bezahlen, hoher Fürst?« Er gab einen kurzen Befehl und die Truhen wurden geöffnet. Ein vielstimmiges Keuchen war unter den anwesenden Nivard-Adligen zu hören.
    Rusan richtete sich ein wenig auf. Gold glänzte zwischen funkelnden Rubinen, Smaragden und Saphiren. Perlen schimmerten sanft neben gleißenden Diamanten, manche von einer Größe, wie er sie noch nie gesehen hatte. Eine Truhe allein war bis zum Rand mit Eissternen gefüllt, jenen Edelsteinen, die man nur in den Nebelklippen im Norden des Kjer-Reiches fand und mit deren kaltem Feuer und eisiger Schönheit sich noch nicht einmal Diamanten messen konnten.
    »Ein Lösegeld, das eines Königs würdig wäre. Aber meine Gnade ist nicht zu kaufen. - Er bleibt, wo er ist! Und wenn kein Leben mehr in ihm ist, gehört sein Kadaver dem Volk von Astrachar! «Bei seinen Worten zeigten nicht wenige der Kjer ihre Reißzähne und ballten die Fäuste.
    »Eure Gnade mag nicht käuflich sein, Fürst Rusan.« Es war das Bürschchen, das sprach. Die Kjer verneigten sich, als es vortrat und dabei die Kapuze zurückschlug. Der Krieger mit den Rauhvogelaugen erhob sich.
    »Aber wollt Ihr tatsächlich zulassen, dass Euer Brudersohn elend am Kreuz stirbt und der Pöbel seinen Leichnam schändet?«
    Einen Moment war es totenstill. »Hexe!« Brüllend vor Zorn sprang Rusan auf, wollte sich auf sie stürzen. Blitzschnell waren die Kjer zwischen ihm und dem >Bürschchen<: Seine Leibwache hatte die Schwerter gezogen, ihr Kommandant drängte Rusan zurück, während seine übrigen Männer die Kjer in Schach hielten.
    »Nicht, Herr! Sie kam unter der Flagge des Unterhändlers. Wenn Ihr das Gesetz des freien Geleits brecht, sind wir nicht besser als sie«, beschwor ihn der Krieger.
    Rusan machte sich heftig von ihm los. »Kjer-Hexe! Wie kannst du es wagen, hierherzukommen ... « Hasserfüllt sah er die Frau an, die vor ihm stand: Königin Naísee. Dann erst drang in sein Bewusstsein, was sie gesagt hatte. Mein Brudersohn. Er schnaubte abfällig. »Ihr seid wirklich so verrückt, wie man sagt, Weib.« Mit geballten Fäusten zwang er sich, seine Gefühle zu beherrschen, winkte seine Männer zurück. Sie gehorchten nur zögernd. Der Kommandant seiner Leibwache hatte recht. Sie war unter der weißen Flagge gekommen. Er würde Kédars Andenken nicht damit besudeln, indem er die Ehre seines Hauses beschmutzte. Er würde Rache nehmen. Aber nicht jetzt. »Verschwindet, Weib. Ihr habt meine Antwort. - Geht, bevor ich es mir anders überlege und Euch neben Euren Blutwolf hängen lasse«, presste er hervor.
    Die Frau ihm gegenüber sah ihn unverwandt an. »Habt Ihr gehört, was ich sagte? Der Mann am Kreuz ist Euer Brudersohn! « Auch die Kjer hatten sich wieder
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