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Der Kuß der Schlange

Der Kuß der Schlange

Titel: Der Kuß der Schlange
Autoren: Ruth Rendell
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sich an einen Burschen namens Aveney? Manager bei Kidds?«
    »Natürlich. Was zum Teufel soll das?«
    »Der hat gestern abend bei sich zu Hause einen Anruf von Hathall bekommen. Hathall wollte wissen – er fragte das so ganz nebenher, versteht sich –, ob wir uns bei Kidds nach ihm erkundigt hätten. Und Aveney, der Idiot, hat gesagt ja, aber nicht wegen seiner Frau, das sei ja alles vorbei, wir hätten uns bloß die Bücher ansehen wollen für den Fall, daß da mit den Lohnlisten irgendwas faul sei.«
    »Und wieso wissen wir das?« fragte Wexford verblüfft.
    »Aveney kriegte hinterher Bedenken, überlegte, ob er ihm überhaupt irgendwas hätte sagen dürfen, obgleich er ja wußte, daß unsere Ermittlungen zu nichts geführt hatten. Anscheinend hat er versucht, Sie heute morgen zu erreichen, und als das nicht klappte, hat er sich schließlich an Mr. Griswold gewandt.«
    Das also war der Anruf gewesen, den Hathall von der Telefonzelle in der Dartmeet Avenue aus getätigt hatte, dieser verflixten Telefonzelle, nachdem er sich von seinem Hauswirt verabschiedet hatte und bevor er in das Taxi stieg. Aveneys Auskünfte zusätzlich zu der Tatsache, daß er Howard erkannt hatte, reichten natürlich vollkommen aus, ihn in Panik zu versetzen. Wexford ging wieder zurück über die Straße und stieg in den Wagen, wo Lovat eine seiner gräßlichen kleinen, qualmenden Zigaretten rauchte.
    »Ich glaub, der Nebel lichtet sich, Sir«, sagte Hutton.
    »Schon möglich. Wie spät ist es?«
    »Zehn vor acht. Was machen wir jetzt? Zurück zum Flugplatz, oder sollen wir versuchen, Morag Greys Wohnung ausfindig zu machen?«
    Mit gedehntem Sarkasmus erwiderte Wexford: »Das versuche ich seit neun Monaten, Sergeant, der normalen Zeitspanne des Austragens, aber zur Welt gebracht hab ich nichts. Vielleicht glauben Sie, das innerhalb von ein paar Stunden bewerkstelligen zu können?«
    »Wir könnten ja wenigstens durch Notting Hill zurückfahren, Sir, statt den schnelleren Weg über die North Circular zu nehmen.«
    »Mensch, machen Sie, was Sie wollen«, knurrte Wexford und lehnte sich in die Ecke, so weit wie möglich von Lovat und seiner Zigarette entfernt, die genauso schlecht roch wie die Zigarre des Hauswirts. Dachse! Landgendarme! dachte er wütend und ungerecht. Idioten, die nicht mal mit einem einfachen Ladendiebstahl anständig fertig wurden. Was glaubte Hutton eigentlich, was Notting Hill war? Ein Dorf wie Passingham St. John, wo jeder jeden kannte und auf jede Neuigkeit erpicht war, wo der Klatsch blühte, wenn ein Nachbar in ferne Länder weggezogen war?
    Sie folgten der Route des Achtundzwanziger-Busses. West End Lane, Quex Road, Kilburn Road, Kilburn Park … Der Nebel lichtete sich wirklich, bewegte sich, lag hier in dichten Schwaden, waberte dort und löste sich zu dünnen Streifen auf. Die weihnachtliche Farbenpracht glitzerte wieder durch ihn hindurch, schreiend bunte Papierfahnen in den Fenstern, grelle Sternenlämpchen, die rhythmisch aufblinkten. Shirland Road, Great Western Road, Pembridge Villas, Pembridge Road …
    Eine von diesen Haltestellen, dachte Wexford und richtete sich auf, mußte die sein, wo Howard Hathall in den Achtundzwanziger hatte einsteigen sehen. Überall zweigten Straßen ab, Straßen, die wieder in andere Straßen mündeten, in Plätze, in ein bevölkertes, urbanes Dickicht. Sollte Hutton doch sehen, was er hier …
    »Halten Sie bitte, ja?« sagte er plötzlich.
    Rosa Licht ergoß sich über den Fahrdamm aus den verglasten Türen des Pubs. Wexford hatte das Schild gesehen und sich blitzartig erinnert. Das Rosy Cross. Wenn sie hier regelmäßig Gäste gewesen waren, wenn sie sich hier häufig getroffen hatten, dann erinnerte sich vielleicht der Inhaber oder der Barkeeper an sie. Vielleicht hatten sie sich auch gestern abend hier getroffen, ehe sie wegfuhren, oder sie hatten bloß noch einmal hereingeschaut, um sich zu verabschieden. Mindestens würde er es erfahren. Auf diese Weise würde er vielleicht endgültig Bescheid wissen.
    Der Innenraum war ein Inferno aus Licht und Lärm und Qualm. Die Menschenmenge war von einer Dichte und Ausgelassenheit, wie sie sich gewöhnlich erst viel später am Abend einstellen, aber es war schließlich Weihnachten, ein Tag vor Heiligabend. Es war nicht nur jeder Tisch besetzt, jeder Barhocker und jeder Platz an der Bar, sondern auch jeder Quadratzentimeter Fußboden. Die Leute standen dicht aneinandergedrängt, die Augen blinzelnd halb geschlossen, denn aus ihren
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