Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter
Autoren: Friedrich Gerstäcker
Vom Netzwerk:
Geschicklichkeit und wirklich vieler Grazie ein Pas de deux mit den Pferden tanzte. Gleich darauf, und inmitten desselben, sprengten die beiden Kinder wieder herein – der Knabe jetzt genau so gekleidet wie Monsieur Bertrand – indem sie das Pas de deux in ein Pas de quatre verwandelten. Die Pferde führten dasselbe auch vortrefflich durch, und der rauschende Beifall galt diesmal besonders der Geschicklichkeit und Ausdauer des Mannes, der die Dressur der edlen Tiere zu solcher Vollkommenheit gebracht. Nach dem Tanze hielten die beiden Paare wieder ihren Umritt um die Arena, in einer Art Triumphzug den wohlverdienten Applaus einzuernten, den ihnen diesmal selbst die Damen nicht versagten. Nur Melanie saß still und regungslos, ihren Blick fest auf die schöne Reiterin heftend, deren Auge sie bewachte. Es war ihr nämlich nicht entgangen, daß die Kunstreiterin, wo das nur irgend geschehen konnte, ihren Nachbar, den Grafen Geyerstein, scharf fixierte. Der nach allen Seiten hin grüßende Blick haftete in der Sekunde, in der sie an ihnen vorüberflog, jedesmal fest und forschend auf der edlen Gestalt des Rittmeisters, und als sie die Arena verlassen und durch dröhnenden Applaus zurückgerufen wurde, schien derselbe Blick nur ihm allein zu danken.
    »Die Szene wechselte jetzt, und der Bajazzo übernahm die Unterhaltung des Publikums aufs neue durch halsbrechende Kunststücke und Gliederverrenkungen. Aber das Publikum wollte sich amüsieren; die übersättigten Bewohner der Residenz verlangten einen neuen Reiz für ihre abgespannten Nerven – und diese atemlose Angst um ein Stück wertlosen Menschenlebens gewährte ihn. Ein Mulatte beschloß die erste Abteilung durch groteske Sprünge und gymnastische Übungen, die er mit seinem Pferde ausführte. Wie eine Schlange wand und schnellte er sich im vollen Rennen seines Tieres darüber hin. All die verschiedenen und schwierigsten Piecen führte er aber mit solcher Leichtigkeit aus, und war dabei in jeder seiner noch so gewagten Bewegungen so sicher, daß sich das Publikum unmöglich für ihn interessieren konnte. Es sah eben keine Gefahr dabei, und die Szene vorher hatte es verwöhnt.
    Eine kurze Pause folgte jetzt, in der selbst die ebenso unermüdlichen wie erbarmungslosen Musiker ihre gequälten Instrumente für eine Viertelstunde ruhen ließen. Das Trommelfell der ihnen zunächst sitzenden Zuschauer vibrierte aber eine ganze Weile fort, als ob sich die aufgewühlten Schallwellen des hohen Raumes noch nicht beruhigt hätten. Die Trompeter gossen dabei ihre Instrumente aus und ließen ihre Bierkrüge füllen, wechselten die Notenblätter, um eine andere Nummer aufzulegen, und nahmen dann ihre Sitze wieder ein, beim ersten gegebenen Zeichen mit schmetterndem Tusch und lustiger Fanfare bereit zu sein.
    Ein Teil des Publikums, besonders alle solche, die den Ausgang leicht erreichen konnten, ohne die hinter ihnen sitzenden Damen zu sehr zu inkommodieren, strömte hinaus an das Büfett und fand dort nicht allein Erfrischungen in Masse, sondern auch – Buketts, Kränze und Zuckertüten, für die der vortrefflich spekulierende Restaurateur Sorge getragen. Die Blumen für die Damen, das Zuckerwerk für die Kinder! Die jungen Kavaliere kauften in Masse, und das Büfett machte ausgezeichnete Geschäfte. Unter den zurückgebliebenen Zuschauern entspann sich indessen eine lebhafte Unterhaltung über das Geschehene, und besonders schien Monsieur Bertrand auf die Damen einen für ihn nur schmeichelhaften Eindruck hervorgebracht zu haben. Die jüngeren besonders – vielleicht weniger zurückhaltend als die älteren – schwärmten für ihn, und Komtesse Rosalie erklärte, daß sie die Zeit kaum erwarten könne, in der er wieder erscheinen würde.
    »Und was halten Sie von Monsieur Bertrand, Herr Rittmeister?« wandte sich da Melanie an ihren auffallend schweigsamen Nachbar. »Als so vortrefflicher Reiter werden auch Sie ihm Ihren Beifall kaum versagen können.«
    »Allerdings nicht, Komtesse,« erwiderte der junge Mann, »es ist eine edle, männliche Gestalt, und – er reitet untadelhaft.«
    »Wie ernst er aber aussieht und was für dunkle, seelenvolle Augen er hat! Ich kann mir kaum denken, daß er wirklich zum Kunstreiter – und noch schlimmer – zum Seiltänzer erzogen ist, denn mit seiner Erscheinung würde er jeden Platz in der menschlichen Gesellschaft ehrenvoll ausfüllen.«
    »Ich glaube auch,« sagte der Rittmeister leise, fast wie mit sich selber redend. »Wer weiß,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher