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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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daß wir es wollen oder suchen, wendet uns oft das Leben auch seine dunkeln Seiten zu.«
    Wüstes Geschrei und Jauchzen unterbrach ihr Gespräch, denn Bajazzo hatte die zweite Abteilung auf einem Esel eröffnet, mit demer in die Arena sprengte. Auf dem Rücken des Tieres suchte er Monsieur Bertrand nachzuahmen, und die Galerie war glücklich darüber. Ihm folgten die beiden Kinder wieder, denen man die erst angekauften Zuckertüten zur Belohnung zuwarf, und als Bajazzo ein paar davon entwenden wollte und von dem Stallmeister dabei erwischt und daran verhindert wurde, kannte der Jubel des Publikums keine Grenzen mehr.
    Dem Kinderritt folgte ein imposanteres Schauspiel: ein Turnier, in einer Art von Pantomime, in der sich zwei Ritter um den Besitz der schönen Georgine stritten. Monsieur Bertrand war einer von diesen, und in voller Rüstung, mit geschlossenem Visier und eingelegter Lanze, warf er in wirklich prachtvollem Rennen seinen Gegner in den Sand. Dann, mit abgeworfenem Helm, hielt er an der Seite der erbeuteten Schönen seinen Siegesritt um die Arena, und die Buketts flogen jetzt von allen Seiten dem lieblichen Ritterfräulein zu. Eins der Buketts hatte die schöne und kecke Reiterin selber vom Boden aufgehoben, und es hoch in der Hand haltend, schwang sie sich damit unter dem Beifallsjauchzen der Menge wieder auf ihr Pferd, während dieses, bei dem Schmettern der Trompeten, in wilder Flucht die Arena umschnaubte. Der Ritter konnte sich kaum an ihrer Seite halten, und immer wilder, immer toller hieb er auf das schäumende Tier ein, es noch zu stärkerem, rasenderem Laufe anzutreiben. Wieder kam es Melanie da vor, als ob ihr Blick, sooft die tolle Jagd an ihnen vorüberbrauste, den Nachbar suche und finde. Grüßend neigte sie sich gegen ihn, und jetzt – als sie ihren Zelter mitten in vollster Flucht herumriß, die Arena, dem Ausgange zu, quer zu durchfliegen, warf sie die linke Hand, in der sie die Blumen hielt, empor, und der Strauß – ob absichtlich oder zufällig nach dieser Richtung getrieben – fiel im nächsten Augenblicke zu den Füßen des jungen Grafen nieder. Fast in demselben Moment war auch die Schöne, über die Bahn hinweg, verschwunden, und Melanie sah zu dem Rittmeister empor, dessen Antlitz Totenblässe deckte.
    »Wollen Sie den Strauß nicht aufheben?« sagte sie mit vor innerer Bewegung fast erstickter Stimme.
    Der Rittmeister bückte sich , aber er tat es wie in einem Traume, und die Blumen aufgreifend, hielt er sie fast bewußtlos seiner Nachbarin entgegen.
    »Sie befehlen, Komtesse?«»Ich danke Ihnen, Herr Graf!« erwiderte jedoch die junge Dame mit so auffallender Kälte im Ton, daß Graf Geyerstein sie erstaunt ansah. »Die Blumen sind ohne Zweifel dorthin gelangt, wohin sie bestimmt waren, und ich möchte Sie derselben nicht berauben – würde ich überhaupt etwas annehmen, was einer – Kunstreiterin zugeworfen ist.«
    »Komtesse?«
    »Sie haben jetzt Gelegenheit, Ihr Bukett wieder zu verwerten,« sagte das schöne und, wie es schien, beleidigte Mädchen. In der Tat erschien Georgine in diesem Augenblicke wieder auf den donnernden Hervorruf der Menge, während ihr aufs neue von allen Seiten Blumen entgegenflogen. Graf Geyerstein war aber durch die Worte Melanies so überrascht worden, daß er das Bukett unschlüssig in der Hand behielt, bis die schöne Reiterin die Arena verlassen hatte.
    Wieder sprang jetzt der Bajazzo mit seinen gliederverrenkenden Künsten in die Arena, nachdem die Bahn vorher von den hineingeworfenen Blumen gesäubert worden, und zwei andere junge Damen, Mademoiselle Amelie und Leontine, waren ebenfalls noch in dem Programme angeführt. Komtesse Melanie hatte durch den Lärm der Trompeten Kopfschmerzen bekommen, und obgleich sich die jüngere Schwester Rosalie dem nur ungern fügte, bat doch die Mutter den Grafen, ihren Wagen vorfahren zu lassen. Zehn Minuten später verließ die Familie des Kriegsministers von Ralphen, vom Grafen Geyerstein natürlich begleitet, den Zirkus, um nach Hause zurückzukehren.

3.
    Der nächste Tag war ein Sonntag. Reges, bewegtes Leben herrschte in der Residenz, wo einesteils die gerade abgehaltene Messe eine Menge von Landleuten und Fremden in die Stadt gelockt hatte, während zugleich, zur Geburtstagsfeier des Fürsten, große Parade abgehalten wurde. Equipage um Equipage fuhr langsam durch das Gedränge der Straßen, dem Landesherrn zu diesem Tage die Glückwünsche des Hofes und der Beamten, ja des ganzen Volkes zu bringen.
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