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Der Kruzifix-Killer

Der Kruzifix-Killer

Titel: Der Kruzifix-Killer
Autoren: Chris Carter
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sie ihre Kunden unterhielt und jedem einzelnen das Gefühl gab, dass sie sich prächtig amüsierte.
    »Hi, Jen, alles okay? Du siehst etwas müde aus«, bemerkte Pietro, der langhaarige Barkeeper, als Jenny an die Bar trat. Er sprach noch immer mit einem leichten spanischen Akzent.
    »Alles okay, Honey. Nur ein bisschen zu viel Party in letzter Zeit«, erwiderte sie mit wenig Begeisterung, nachdem sie in einem der Spiegel hinter der Bar einen Blick auf sich erhascht hatte. Ihre hypnotischen blauen Augen schienen heute Abend etwas von ihrem Glanz verloren zu haben.
    »Keine Pause im Paradies, was?«, merkte Pietro mit einem schüchternen Lächeln an.
    »Heute Nacht nicht«, erwiderte Jenny ebenfalls lächelnd.
    »Irgendwas zu trinken für dich?«
    »Nein, danke, ich kämpfe noch mit dem hier«, sagte sie, hob ihr Champagnerglas und zwinkerte ihm kokett zu. »Ich muss nur einfach mal ein Weilchen von meinem Tisch weg.«
    Pietro und Jenny flirteten zwar hin und wieder miteinander, doch Pietro hatte nie irgendwas bei ihr versucht. Er wusste, dass sie D-King gehörte.
    »Na dann, wenn du doch was willst, ruf mich einfach.« Pietro wandte sich wieder seinen Cocktails zu und jonglierte weiter mit seinen Flaschen. Eine dunkelhaarige Frau, die an der gegenüberliegenden Seite der Bar stand, warf Jenny einen finsteren Blick zu, der ungefähr zu sagen schien: »Schwirr ab, Schlampe, ich war zuerst an ihm dran.«
    Jenny fuhr sich mit der Hand durch ihr langes, goldblondes Haar, stellte ihr Champagnerglas auf der Theke ab und drehte sich so, dass sie die Tanzfläche sehen konnte. Sie mochte die Atmosphäre in diesem Club. All die Leute, die ihren Spaß hatten, tanzten, tranken und sich verliebten. Okay, vielleicht nicht wirklich ver liebten , dachte Jenny, aber zumindest hatten sie Sex zum Vergnügen und nicht, weil sie dafür bezahlt wurden. Sie wünschte sich, auch eine von ihnen zu sein. Das hier war jedenfalls nicht das tolle Leben à la Hollywood, von dem sie geträumt hatte, als sie vor sechs Jahren von Idaho fortgegangen war.
     
    Seit ihrem zwölften Lebensjahr war Jenny Farnborough fasziniert von Hollywood. Damals wurde das Kino ihr Zufluchtsort vor den ständigen Streitereien zwischen ihrer unterwürfigen Mutter und ihrem aggressiven Stiefvater. Filme waren ihr Fluchtweg in eine andere Welt, in der sie noch nie gewesen war und zu der sie gehören wollte.
    Jenny wusste sehr wohl, dass ihr Traum von Hollywood ein Hirngespinst war. Etwas, das nur in kitschigen Romanen und Filmen existierte, und davon hatte sie jede Menge gelesen und gesehen. Sie war eine Träumerin, das ließ sich nicht leugnen, aber vielleicht war das ja gar nicht so schlimm. Vielleicht würde sie ja diejenige sein, der tatsächlich das Glück begegnete. Und außerdem hatte sie sowieso nichts zu verlieren.
    Mit vierzehn nahm Jenny ihren ersten Job an, als Popcorn-Verkäuferin in einem Kino. Jeden Cent, den sie verdiente, legte sie auf die Seite, und an ihrem sechzehnten Geburtstag hatte sie endlich genug Geld beisammen, um das gottverdammte Kaff, in dem sie aufgewachsen war, hinter sich zu lassen. Damals schwor sie sich, nie wieder nach Idaho zurückzukehren. So erfuhr Jenny nie, dass sich ihre Mutter, nur eine Woche nachdem sie fortgegangen war, mit einer Überdosis Schlaftabletten umgebracht hatte.
    Hollywood empfing sie so, wie Jenny es sich vorgestellt hatte: ein magischer Ort voll von schönen Menschen, glitzernden Lichtern und schillernden Phantasien. Doch die harte Realität des Alltags in der Stadt der Engel hatte mit der Illusion, die Jenny sich geschaffen hatte, herzlich wenig zu tun. Ihre Ersparnisse reichten nicht lange, und da sie keinerlei Berufsausbildung besaß, stapelten sich die Absagen schon bald wie ein Berg schmutziger Wäsche. Ihr herrlicher Traum verwandelte sich ganz allmählich in einen Alptraum.
    Über Wendy Loutrop, eine andere Möchtegern-Schauspielerin, machte Jenny die Bekanntschaft D-Kings. Zunächst wies sie all seine Angebote rundweg ab. Schließlich kannte sie all die Geschichten über hübsche junge Frauen, die mit dem Traum, ein Filmstar zu werden, nach Hollywood gekommen waren und schon bald auf der Straße oder für die Pornoindustrie arbeiteten. Jenny war fest entschlossen, nicht aufzugeben. Sie wollte nicht eine weitere Versager-Story sein. Sie wollte an ihrem Traum festhalten. Allerdings musste ihr Stolz erst einmal hinter ihren Überlebensinstinkt zurücktreten. Und so kam es, dass D-King nach einigen Monaten mit
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