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Der Krieg der Zwerge

Der Krieg der Zwerge

Titel: Der Krieg der Zwerge
Autoren: Markus Heitz
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Himmel herab. Im nächsten Augenblick zertrümmerte der Sternensplitter die massive Verbindungsbrücke zum Turm vor ihnen. Kaum hörbar drangen die Schreie der Unglücklichen zu ihnen, die er in den Tod gerissen hatte. Welchen Schaden er unter ihnen anrichtete, erkannten sie wegen des Dunstes nicht. »Runter vom Turm!«, rief Boëndal mit einem Blick auf die Bruchkante vor sich und wünschte sich seine alte Beweglichkeit zurück. Die verfluchten Wunden hemmten sein Geschick. »Nehmt den Nordgang!«
Der Stein unter ihren Füßen wackelte, der ragende Bau wankte wie ein Schilfrohr im Sturm, der Granit ächzte und knirschte, vereinzelt sprangen Brocken davon ab, weil das Mauerwerk der Spannung nicht länger Stand hielt.
Der Beschuss Nordgang auf dauerte an, während sie über den den Söller des höchsten der neun Turmausgucke gelangten. Auf dem Wehrgang schlitterten sie entlang, bis sie an die breite, frei tragende Bogenbrücke kamen. Es war der einzige Zugang in den sicheren Berg.
Rechts und links von der Brücke ging es zweihundert Schritt in die Tiefe. Der peitschende Wind jagte die Nebelschwaden davon und erlaubte ihnen, einen Blick auf die rettenden Portale auf der anderen Seite zu werfen. Dahinter wartete die große Halle.
»Da, seht!«, machte sie ein Zwerg entsetzt auf das aufmerksam, was ihnen der zurückweichende Schleier enthüllte.
Die stolze Festung Eisenwart lag größtenteils in Trümmern.
Von den neun prächtigen Türmen standen noch vier, die übrigen waren geborsten, eingestürzt, von Treffern teilweise oder völlig zerstört und ragten wie armselige Zahnstummel empor. Die dicken Mauern, die Wälle, die von zwergischer Meisterhand aus dem Fels geschlagen worden waren, wiesen Breschen auf, durch die mit Leichtigkeit eine Meute Trolle passte.
»Bleibt nicht stehen!« Boëndal scheuchte sie vorwärts. »Wir werden alles wieder aufbauen, doch zuerst müssen wir uns in Sicherheit bringen, oder es wird keiner mehr übrig sein, um das Andenken eurer Ahnen zu pflegen«, mahnte er. »Los!«
Er und sein Begleiter setzten eben die Stiefel auf die Brücke, als sie ein dumpfes Grollen vernahmen, wie ein Donner aus weiter Ferne. Gleich darauf erbebte die Erde unter ihren Füßen von neuem.
Dieses Mal jedoch war es nicht das bekannte Rütteln, das mit den Einschlägen einhergegangen war, sondern ein tieferes, alles erfassendes Schütteln, das die Mauern samt den Zwergen, die Türme und selbst die Hänge, Schluchten und Gipfel des Roten Gebirges erfasste.
Es gab nichts, was sich der titanischen Gewalt entziehen konnte.
Die meisten Zwerge verloren ihren festen Stand und schlugen hin. Kettenhemden klirrten, Äxte sprangen in ihren Halterungen auf und nieder, Helme kullerten scheppernd umher. Zwei weitere Türme sackten polternd in sich zusammen. Staubwolken stiegen über den Trümmern auf.
    Es war der stürzende Stern! Er hat die Erde berührt, mutmaßte Boëndal angesichts der Welle, die durch das ansonsten so unerschütterliche Gebirge lief. Er vermochte sich nicht vorzustellen, welche Auswirkungen das Beben auf die Behausungen der Ersten hatte, wie viele Opfer und Verletzte es unter den Zwergen gab.
Das Grollen verebbte, das Zittern ließ nach und legte sich schließlich ganz. Dennoch wagten sie kaum zu atmen und warteten angespannt, was sich als Nächstes ereignete.
Ein beißender Gestank reizte ihre Kehlen, er mischte sich mit dem Staub der zerstörten Bauwerke und dem Rauch von schwelendem Feuer, das zwischen den Ruinen aufflackerte.
Die Hitze war mit dem sterbenden Himmelskörper verschwunden, es schneite wieder, als wäre nichts geschehen. Die eintretende Stille gaukelte Friedlichkeit vor, doch es war die Stille nach dem Sturm. Der Tod hatte seine reiche Ernte eingefahren und eine Schneise der Verwüstung hinterlassen.
»Bei Vraccas«, stöhnte sein Helfer leiderfüllt und hilflos wie ein Zwergenkind.
Boëndal verstand ihn sehr gut. Sein Volk warf sich ohne zu zögern gegen die größte Übermacht und verteidigte die Durchgänge des Geborgenen Landes mit dem Leben; seine Äxte, Beile und Hämmer nahmen es mit den abscheulichsten Ungeheuern auf, die ihnen das Böse sandte, doch gegen einen solchen Gegner musste es unweigerlich verlieren. »Niemand hält ein Gestirn auf, wenn es fällt. Nicht einmal die Götter, wie du gesehen hast«, tröstete er ihn.
Ein Blick über den Rand der Brücke zeigte Boëndal, dass der Sockel des neunten Turmes starke Beschädigungen aufwies; Risse von der Breite eines ausgestreckten
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