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Der Krieg der Zwerge

Der Krieg der Zwerge

Titel: Der Krieg der Zwerge
Autoren: Markus Heitz
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gutes Zeichen. Ein Funken aus der Esse von Vraccas vielleicht, der uns damit …«
Da tauchte ein zweiter stürzender Himmelskörper auf. Zischend schoss auch er in Richtung Westen und sank ohne zu erlöschen weiter in Richtung Erde.
»Bei Vraccas«, stammelte Boëndals Nachbar und packte den Schild unwillkürlich fester, als könnte das dünne, mit Metall beschlagene Stück Holz Schutz gegen die himmlische Gewalt bieten. »Bist du sicher, dass es ein Funke aus der Ewigen Schmiede und nicht die Rache Tions ist?«
»Vraccas stehe uns bei! Es ist einer der Sterne«, hörte man einen anderen Zwerg aufgebracht rufen. »Er ist aus seiner Verankerung am Firmament gerissen!«
»Oder die schlafende Sonne! Sie ist aus ihrer Nachtwiege gestürzt und noch nicht erwacht«, mutmaßte ein weiterer Zwerg voller Sorge. »Weckt sie, damit sie wieder in die Höhe steigt!« Er schlug fest gegen seinen Schild, dass es schepperte.
Hatte die Sternschnuppe zunächst die Größe einer Münze gehabt, schwoll sie bald auf die Ausmaße eines prall gefüllten Ledersacks und immer weiter an, bis selbst brennende Windmühlenflügel nicht mehr ausreichten, ihre Ausdehnung zu beschreiben.
Kreischend und brüllend durchstieß sie die Wolkendecke, einen tiefroten Schweif hinter sich her ziehend, der die Umgebung – die Türme, die Gesichter der Zwerge – in ein merkwürdiges Zwielicht tauchte. Die Hitze, die von ihr ausstrahlte, verwandelte die eben noch heiter tanzenden Schneeflocken in Wassertropfen; dort, wo sie niederschlugen, wurden sie zu Eis.
Innerhalb weniger Atemzüge waren Wehrgänge, Brücken und Treppen mit einem dicken, durchsichtigen Panzer versehen.
»Geht in Deckung!«, schrie Boëndal und warf sich auf den Steinboden des Turms. Es klirrte, weil das Eis, das sich auf seinem Helm gebildet hatte und sich über seinen Rücken ausbreitete, durch die Bewegung barst.
Er schlitterte bäuchlings über den gefrorenen Boden und fand am Gestell der Kochvorrichtung halt. Die Wunden in seinem Rücken rebellierten mit schmerzhaftem Ziehen gegen das, was er ihnen zumutete; doch er biss die Zähne zusammen und knurrte ungehalten.
Die Zwerge auf den Zinnen um ihn herum folgten teils seinem Beispiel, teils zog sie das unheimliche Geschehen so sehr in seinen Bann, dass sie nicht anders konnten, als mit offenen Mündern schreckensstarr des Kommenden zu harren. Andere trommelten unablässig gegen die Schilde, immer noch hoffend, es sei die schlafende Sonne, die sich aufwecken ließe.
Funken stiebend zog der gefallene Stern über ihre Köpfe hinweg, grollte und donnerte auf sie herab. Boëndals Befürchtung, dass er mitten in die Festung einschlagen könnte, bewahrheitete sich zum Glück nicht. Stattdessen verschwand er hinter den Gipfeln des Roten Gebirges.
Damit aber war die Gefahr nicht gebannt.
Aus dem gleißenden Schweif regneten glühende Brocken hernieder, die das Haus eines Menschen spielend unter sich begraben hätten. Zuerst erscholl ein lang gezogenes Pfeifen, dann erfolgte der Einschlag, und nach jedem Krachen schüttelte sich das Land wie ein gepeinigtes Tier. Hier und da spritzte der weiße Schnee turmhoch in den schwarzen Nachthimmel. Ein anhaltendes Zischen lag in der Luft, und der verdampfende Schnee bildete gewaltige Nebelblasen. Die feuchten Schwaden hüllten die Zwerge ein und raubten ihnen die Sicht.
»Zurück!«, befahl Boëndal, der begriffen hatte, dass die Türme und Mauern den natürlichen Geschossen nicht Stand halten würden. »Rennt in den Berg, da sind wir sicher!« Er zog sich an der Kochstelle in die Höhe; sogleich stand ein Zwerg an seiner Seite, um ihm aufzuhelfen.
Der Zwilling hatte in dem stinkenden Nebel die Orientierung verloren. Glücklicherweise wusste sein Begleiter, wohin sie ihre Schritte zu lenken hatten. Mehr als einmal rutschten sie auf dem gefrorenen Boden aus und fielen hin, bis sie auf allen vieren blieben, sich mit den Äxten Halt ins Eis schlugen und sich an den Stielen vorwärts zogen. »Wir müssen …«
Das durchdringende Pfeifen unmittelbar über ihren Köpfen konnte nur eines bedeuten: Die Fragmente des Gestirns würden jeden Augenblick mitten zwischen den Türmen und Mauern einschlagen.
Boëndal blieb nicht einmal mehr Zeit, neue Befehle zu geben. Schon leuchtete der Nebel in dreckigem Orange; das Lichtspiel steigerte sich zu schmutzigem Rot, begleitet von dem bekannten, ohrenbetäubenden Kreischen.
    Vraccas, stehe uns bei! Für Boëndal sah es aus, als schösse ein glühender Eisenklumpen vom
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