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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer
Autoren: Ralf Isau
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letzten zwei Jahrzehnten… Ich rede völligen Unsinn.« Ärgerlich schüttelte David sein weißes Haupt. »Es geht mir um dich, Lorenzo, deine Freundschaft und deinen Rat. Sie sind es, die mir fehlen.«
    Ein mildes Lächeln umspielte die Lippen des einstigen Mönchs. Voll Mitgefühl sagte er: »Na, siehst du, es geht doch. Du bist auf dem besten Weg geheilt zu werden. Was meine Fähigkeiten als Berater anbelangt, fühle ich mich allerdings offen gestanden etwas überfordert, mein Lieber. Wenn ich an deine Bestimmung denke…! Du bist etwas Besonderes, David, ein Auserwählter von Geburt an. Aber ich… Mein Wankelmut würde dir doch eher hinderlich sein. Wie könnte ich überhaupt jemals mit dir Schritt halten?«
    »Ein japanisches Sprichwort sagt: ›Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt.‹ Ich glaube, Lorenzo, heute hast du ihn getan. Willst du es dir nicht doch noch einmal überlegen?«
    Lorenzo seufzte. »Also gut. Ich mildere mein Nein ab und mache ein Vielleicht daraus. Bist du jetzt zufrieden?«
    David strahlte über das ganze Gesicht. »Ich könnte dich schon wieder umarmen.«
    »Lass gut sein. Das war noch keine Zusage. Außerdem muss ich diese Skizzen noch fertig machen.«
    David nahm einen Schluck von dem schon fast kalt gewordenen Kaffee. Lorenzos Hand flog leicht wie ein Vogel über das Papier. Sie erschuf Gesichter, die nicht im Geringsten diabolisch aussahen. Belial befehligte eine Bruderschaft äußerlich ganz normaler Menschen. Als sich das letzte Antlitz seiner Vollendung näherte, sagte David: »Ich wüsste nur zu gerne, wie wir dieser Geheimloge und ihrem Großmeister endgültig das Handwerk legen können.«
    Mit schräg gehaltenem Kopf, ohne von dem Block aufzusehen, antwortete Lorenzo: »Vielleicht solltest du dich mehr auf die Ringe konzentrieren.«
    »Wie meinst du das?«
    »Eine Flamme hat die Bilder im Mithräum heraufbeschworen, vermutlich wird ein ebensolches Feuer auch die Ringe vernichten.«
    »Ich habe Belials Siegelring schon allen möglichen Torturen ausgesetzt, aber er scheint unzerstörbar zu sein.«
    »Hast du’s schon mit Feuer versucht?«
    »Nein.«
    Lorenzo wiegte den Kopf hin und her. »Es gibt da eine Bibelstelle über den Aufenthalt des Apostels Paulus in der Stadt Ephesus. In der Apostelgeschichte, ich glaube, es steht im Kapitel 19, heißt es: ›Viele von denen, die Zauberei getrieben hatten, brachten ihre Zauberbücher herbei und verbrannten sie vor aller Augen… So wuchs das Wort des Herrn mit Macht und wurde stark.‹ Wenn du mich fragst, David, ist Feuer noch das beste Mittel, um Belial zu bekämpfen. Wirf seinen Ring hinein und er wird seine Macht verlieren.« Der ehemalige Benediktiner schüttelte unverwandt den Kopf. »Ob sich dadurch allerdings überhaupt noch etwas am Lauf der Welt ändern lässt – ich weiß es nicht. Belial hat wohl längst ein Räderwerk in Gang gesetzt, das sich auch ohne ihn und seinen unseligen Zirkel weiterdrehen wird.«
    David starrte mit glasigen Augen auf die Holzbohlen am Küchenboden. Eine Feuerprobe? Der Vorschlag klang bestürzend einfach. Und so verlockend! Vernichtest du je doch den Fürstenring, sterben alle Ringträger in einem Nu. Sollte sich diese Prophezeiung aus Jasons Vermächtnis wirklich so einfach erfüllen lassen?
    Ein erwartungsvolles Strahlen lag in seinen Augen, als er wieder aufblickte. »Es würde mir völlig genügen, wenn der Jahrhundertplan missglückt. Alles Übrige liegt sowieso in Gottes Hand.«
    Lorenzo lächelte verschämt. »Jetzt hast du mich erwischt: Natürlich wird der Allmächtige die Rebellion gegen ihn nicht ewig dulden, schreibt doch schon Salomo im Buche Prediger: ›Denn der wahre Gott selbst wird jederlei Werk ins Gericht über alles Verborgene bringen im Hinblick darauf, ob es gut ist oder böse.‹«
    »Bis es so weit ist, sollten wir deinen Vorschlag unbedingt überprüfen. Ich erinnere mich noch gut daran, was Jason über den Fürstenring sagt: ›Wird er in Gegenwart des Fürsten zerstört, so kann das Böse gebannt und das im Ring eingeschlossene Gute befreit werden.‹ Überlege doch, Lorenzo: Warum mein Leben aufs Spiel setzen und Belial erst mit einem ›weder zu hellen noch zu dunklen Licht‹ ködern, wenn ich den Kreis der Dämmerung durch den Siegelring vernichten kann? Wie heiß muss die Flamme wohl sein, die ihn zum Schmelzen bringt?«
    »Das ließe sich feststellen. Ich kenne einen Goldschmied, einen Juden. Ich habe ihm seinerzeit geholfen, als die Nazis in die ›offene
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